(An English version of this text can be found here)
Ralph Straumann und ich haben vom 9. bis 13. März 2014 in Palm Springs die Esri Partner Conference sowie den Esri Developer Summit besucht. In diesem Beitrag berichten wir über die Trends, die wir vor allem an der Partner Conference identifiziert haben, und ordnen diese in einen grösseren Rahmen ein. Zuerst lässt sich feststellen, dass es dieses Jahr nicht ein bestimmtes Schlagwort gab, das die ganze Konferenz durchzogen hat – oder zumindest weniger als zum Beispiel „Cloud“ dies vor 3 Jahren getan hat. (Auf das dominanteste Konzept werden wir im nächsten Abschnitt eingehen.) Stattdessen bewegt sich im Gefüge von Esri und Esris Softwareprodukten gerade sehr vieles gleichzeitig. Die Entwicklungen teilen sich auf in solche, welche Esri aus eigener Kraft geboren hat, und solche, welche sich Esri durch die weit vorangeschrittene Integration akquirierter Firmen einverleibt hat. Die einst noch auszumachenden Bruchlinien im zweiten Fall sind im Begriff sich aufzulösen. Falls Sie nach der Lektüre unseres Artikels noch Fragen haben oder einfach mehr wissen möchten: kontaktieren sie mich oder Ralph Straumann.
„Plattform, Plattform, Plattform!“
Plattform ist mit Abstand das Wort, welches an der diesjährigen Veranstaltung am meisten benutzt worden ist. Esri möchte die eigene Produktpalette als Plattform verstanden wissen. Man könnte dasselbe wohl auch als ein eigentliches Ökosystem bezeichnen, auf dem aufbauend Diverses umgesetzt werden kann.
Ein zentraler Bestandteil (und auch ein häufig angeführtes Wort) ist das Portal. Das Portal ist das Interface zwischen Servern und Diensten auf der einen Seite und Desktop, Web- und mobilen Applikationen auf der anderen Seite.
Das Esri-Portal hat zwei Daseinsformen: Das aktuell stark promotete, bei Esri gehostete ArcGIS Online (AGOL) sowie Portal for ArcGIS Server, das „ArcGIS Online behind the firewall“, also im eigenen Einflussbereich einer Organisation (vgl. hier und hier). Die Plattform-Strategie von Esri stärkt diese beiden Instrumente innerhalb des Ökosystems. Sie werden die hauptsächlichen Anlaufstellen sein, um Geodaten, Karten und Applikationen zu publizieren bzw. zu teilen, zu suchen, zu entdecken und gemeinsam zu nutzen – der single point of entry bzw. aus Sicht einer Organisation auch: … of exit.
„Configure, don’t customize, stupid“
Esri verfolgt eine Strategie des „mehr out-of-the box“: Erstaunlicherweise – zumindest im Rahmen des Developer Summit – war viel die Rede davon, dass Lösungen durch Konfiguration und nicht (unbedingt) durch Programmierung angepasst werden sollen. Esri arbeitet konsequenterweise stark daran, das Entwickeln zum Beispiel von Webapplikationen oder auch (nativen, web-basierten oder hybriden) mobilen Applikation für die Nutzerinnen und Nutzer stark zu vereinfachen. Das geschieht zum Beispiel über sogenannte Application Templates und die neue Applikation Web Map Builder, welche es erlaubt, sowohl Webapplikationen als auch eigene besagte Application Templates zu erstellen.
Esri erhofft sich durch diese Strategie Vorteile bezüglich Agilität. COTS (commercial off-the-shelf)-Software, also die Esri-Produkte wie man sie erwerben kann, soll primär zum Einsatz kommen. Diese soll nötigenfalls konfiguriert, aber nicht unbedingt programmiert bzw. angepasst werden. Und schliesslich hat sich Esri auch getraut zu postulieren, Workflows von Mitarbeitenden sollten den Tools angepasst werden bzw. Tools die Workflows formen.
Echtzeitdaten
Mit der Akquisition von Geoloqi in Portland (nun ein Esri Research Center) hat es sich abgezeichnet: Die Bedeutung, welche Esri Echtzeitdaten beimisst, ist gross und im Wachsen begriffen. Neue Tools wie GeoTrigger und GeoEvent Processor (gekoppelt mit mobilen Applikationen) sollen Kundenbedürfnisse im Bereich der (stationären oder mobilen) Echtzeitdaten abdecken.
Geodaten werden durch diese Entwicklung dynamisiert. Der Begriff Geodaten weitet sich tendenziell auch auf neue, bisher nicht als typisch „geo“ verstandene Daten aus. Dazu gehören traditionell dynamische Daten, welche zwar einen Standort aufweisen, der aber nicht von höchster Bedeutung ist: ein Beispiel sind Meteodaten oder allgemeiner Umweltmessdaten (Luftqualität, Hydrometrie, u.ä.). Esri möchte versuchen, sich hier einen neuen Markt zu erschliessen.
ArcGIS Pro(fessional)
Mit wahlweise ArcGIS Pro bzw. ArcGIS Professional hat Esri einen eigentlichen Prototypen für die Zukunft vorgestellt. Der Name des bisher noch ziemlich sagenumwobenen Produkts ist zwar unglücklich gewählt, denn er stimmt derzeit nicht (vielleicht wäre ArcGIS Light besser?). Namen werden sich in diesem Bereich über die nächsten Jahre aber fast mit Sicherheit als sehr vergänglich erweisen.
ArcGIS Pro wurde als Ergänzung der Palette vorgestellt: Esri war sehr bemüht, immer wieder zu betonen, dass das neue Produkt ArcMap und ArcCatalog nicht ersetzen werde. Stattdessen werden die Programme nebeneinander existieren. ArcGIS Pro hat technisch den Vorteil, dass es eine 64bit-Architektur hat und Multi-Threading unterstützt; es sollte also deutlich performanter sein (die Demos sahen denn auch gut aus). Umgekehrt heisst das auch, dass ArcMap und Co. nie mehr in den Genuss dieses (eigentlich schon längst fälligen) technischen Fortschritts kommen werden.
3D – again?
Dreidimensionale Daten sind eine neue (böse Zungen würden sagen: erneute; noch bösere: alle 5-7 Jahre erneuerte) Stossrichtung von Esri. In der aktuellen Inkarnation wurde dies zum Beispiel anhand der Akquisition des Schweizer Startups Procedural (nun CityEngine) deutlich: Esri glaubt stark an den Mehrwert dreidimensionaler Darstellungen und verfolgt bei der Kundenakquisition für CityEngine einen holistischen Ansatz, der CityEngine als collaboration platform mit public engagement vermarktet.
Tatsächlich ruht die 3D-Strategie von Esri aber auf zwei (derzeit ziemlich disparaten/nicht integrierten) Säulen: auf der einen Seite das eben genannte dezidierte, relativ komplexe 3D-Werkzeug CityEngine. Auf der anderen Seite wird in der neuen Software ArcGIS Pro 3D-Visualisierungs- und Editierfähigkeit einen zentralen und im gewissen Sinn unspektakulär integrierten Bestandteil einer gemischten (2D/3D) Umgebung darstellen („it’s simply in the package“). 2D- und 3D-Funktionalität werden in ArcGIS Pro auf Wunsch nebeneinander, gleichzeitig und verknüpft nutzbar.
Schliesslich hat sich auch unter der Motorhaube viel getan: So soll die ArcGIS Runtime in den jüngsten Versionen stark verbesserte 3D-Performance aufweisen.
Reifung mobiler Applikationen
Ob Datenerfassung im Feld mit -aktualisierung für die Kollegin oder den Kollegen im Büro oder Aufträge von der Zentrale an die Feldmannschaften: Weil eine permanente Datenverbindung nicht garantiert ist, wird in einer immer mobiler werdenden Arbeitswelt die Synchronisation von Offline-Daten immer wichtiger. Esri unternimmt auf diesem Gebiet grosse Anstrengungen. Dadurch sind Applikationen auf mobilen Endgeräten nun definitiv für den praktischen Einsatz reif geworden.
Social Coding, and more!
In der Keynote Session referierte Chris Wanstrath, Mitgründer und CEO von GitHub sehr eloquent über Social coding nach dem Motto: better together (den Vortrag kann man sich auf der Developer Summit-Website zu Gemüte führen). „Dropping out of college“ scheint zum guten Ton zu gehören, wenn man es (in Kalifornien) schon in sehr jungen Jahren zu etwas bringen will. Oder anders formuliert: Um erfolgreich zu sein braucht es Passion, Fleiss und Fokus auf die eine Sache. Wir sind vom Nutzen von GitHub überzeugt und sind deshalb auch auf der Plattform vertreten.
Die Esri Partner Conference und der Developer Summit haben sich einmal mehr als sehr interessante und relevante Veranstaltungen präsentiert. Gerne geben wir Ihnen vertiefte Einblicke und beraten Sie dabei, wie sie die neuen Entwicklungen mit Ihrer Organisation leichtfüssig und gewinnbringend umsetzen können. Am besten kontaktieren Sie dazu mich oder Ralph Straumann für die Vereinbarung eines Gesprächs.
[Korrigenda: Sitz von Geoloqi ist Portland nicht Philadelphia]