Am 25. Oktober 2018 war ich als externer Referent an den Workshop der KKGEO-CCGEO in St.Gallen eingeladen. Ich durfte in einem Vortrag meine Aussensicht auf die KKGEO-CCGEO schildern. Die Folien meines Vortrags vom Oktober 2018 – minus einige stark auf die KKGEO-CCGEO bezogene Bestandteile, die ich deren Mitgliedern vorbehalten möchte – habe ich nun online veröffentlicht. Hier möchte ich einige der Punkte nochmals aufnehmen, aber dieses Mal ohne spezifisch auf die kantonale Perspektive einzugehen.
Ich habe versucht, mein Verständnis der (kantonalen, aber auch anderen) Geoinformation, ihres Wirkens, ihrer Organisation und ihrer Prozesse im Umfeld der Digitalisierung auf vier Positionen hinunterzubrechen. Diese sind in unterschiedlichem Mass auch auf andere Staatsebenen und andere Länder übertragbar:
Föderalismus: gut für den Verkehrsfluss anfangs Schulferien, schlecht für Daten.
Die Subjekte von Daten sind selten schön räumlich begrenzt auf den Wirkungsbereich einer Staatsebene: Umweltprobleme und Herausforderungen in der Raumplanung etwa machen nicht Halt an Gemeinde-, Bezirks-, Kantons- oder Landesgrenzen. Die damit beschäftigten Behörden und ihre Datenbestände mitunter aber schon.
Im Bereich der Geoinformation ist die Verschränkung von unterschiedlichen Staatsebenen auf den Achsen der Rechtsetzung und der Zuständigkeit in der Schweiz besonders kompliziert (Sie kennen wohl das einschlägige Diagramm) – und damit mitunter Quelle von Verwirrung oder Unverständnis bei den Endnutzerinnen und Endnutzern. Diese wiederum führen zu Problemen der Legitimation und zu Reibungsverlusten bei der Nutzung (und potenziell auch bei der Produktion) von wertvollen Daten.
Komplexität ist nicht nachhaltig. Und die Schweizer Geoinformation hat zuviel davon.
Die hohe organisatorische Verschränkung führt auch zu komplexen und zum Teil zu zu komplexen Prozessen und Werkzeugen. Dieser Punkt wurde bezogen auf Interlis und MGDM (in meinem Verständnis) auch von Dominik Angst am Spirgartentreffen 2018 angesprochen. Die anvisierte Systemunabhängigkeit führt dazu, dass Standards aufgrund ihrer Komplexität exklusiver werden – und das heisst: im Effekt weniger offen. Anwenderinnen und Anwender ohne eingehende Vorkenntnisse und die richtigen Werkzeuge werden tendenziell von der Mitwirkung, also der Produktion und/oder der Nutzung von Daten, ausgeschlossen. Oder zumindest wird ihnen der Zugang erschwert.
Spatial is not special.
Wir beobachten schon seit längerem das Mainstreaming von Geoinformation. Geoinformations-Knowhow und insbesondere der Zugang zu Software, die Geodaten verarbeiten kann, wurden demokratisiert. Bei den neuen Nutzerinnen und Nutzern von Geodaten, etwa Data Scientists oder auch Datenjournalistinnen und -journalisten, spielen oft offene und global verfügbare Datensätze wie OpenStreetMap eine grosse – der Schweizer GIS-Community meines Erachtens zum Teil zu wenig bewusste – Rolle. Data Scientists führen manchmal räumliche Analysen durch – manche beeindruckend gut, manche weniger – „unbelastet“ von GIS-Vorwissen. Diese Entwicklung kann ein grosser Gewinn sein für alle an Geoinformation Interessierten. Und sie sollte insbesondere nicht zum Hochziehen von Mauern führen, sondern im Gegenteil zu mehr Vernetzung und zum gegenseitigen Austausch von Wissen.
Open ist Pflicht für „Smart“ und „Digital“.
Es ist im Moment für Politikerinnen und Politiker aller Couleur natürlich in Mode, sich an diesem Anlass eine VR-Brille aufzusetzen und an jenem einen humanoiden Roboter zu tätscheln. Diese Bilder kennen wir zur Genüge.
Wir sind uns aber natürlich auch klar darüber, dass die zentralen Diskussionen erst noch woanders ablaufen müss(t)en: nämlich bei den Daten. Open Data, besonders Open Government Data, hat ein Transparenz schaffendes Moment. Vor dem Hintergrund von „Smart“- und „Digital“-Initiativen, bei denen stets auch die Gefahr von Überwachung mitschwingt, ist Open Data meines Erachtens unabdingbar, um Transparenz und Verantwortlichkeit über die erhobenen und verarbeiteten Daten zu fördern. Nur so ist überhaupt eine Akzeptanz für digitale Vorhaben zu schaffen. Zusätzlich wäre eine solche Haltung gut für die Versorgung der Innovationskraft der Zivilgesellschaft mit den notwendigen Datengrundlagen und damit: für die lokale Wertschöpfung.
What’s next?
Vor dem geschilderten Hintergrund verfügt die Geoinformation generell, aber besonders in der Schweiz, meiner Meinung nach über zahlreiche Chancen: Die unserer Tätigkeit zugrundeliegende Gesetzgebung hat sich eine Dekade lang bewährt. Sie dürfte nun folglich langsam auch den neuen Entwicklungen angepasst werden.
Die Fachleute aus dem Geoinfobereich verfügen über grosses Daten-Knowhow rund um Modellierung, Erstellung, Nachführung und Abgabe von Daten, zum Teil auch über den Betrieb hochverfügbarer und skalierbarer Infrastrukturen und standardisierter Webdienste. Dies sind alles Qualitäten, die in der künftigen Nationalen Dateninfrastruktur (ohne: „Geo“!) gefragt sind. Die Geoinformationsbranche ist zudem gut vernetzt und hat dank ihrer Dienstleistungen ein gutes, wachsendes und oft zufriedenes Publikum.
Kurzum: Wir sind meines Erachtens bestens aufgestellt, um unseren Beitrag zur künftigen nationalen Dateninfrastruktur zu leisten. Bedingung ist meines Erachtens eine dreifache Öffnung:
- die Öffnung der Daten (und längerfristig von deren Produktionsprozessen),
- die Öffnung hin zu den Nutzerinnen und Nutzern unserer Produkte und
- die noch verstärkte Öffnung hin zu Kolleginnen und Kollegen in anderen Organisationen.
Packen wir’s an! Zum Beispiel (aber nicht nur!) im Rahmen der künftigen Strategie Geoinformation Schweiz?
(Headerbild: Copyright Ralph Straumann)