Leider steckt die ganze Welt seit Monaten in der Corona-Krise. Gerade jetzt und auf der Nordhalbkugel im Übergang vom Herbst zum Winter fragen sich viele, wie sie die Jahreszeit auch beim Aufenthalt in Innenräumen mit einem möglichst guten Gefühl in reiner und hoffentlich sicherer Luft verbringen können. Genau diese Frage habe ich mir vor einiger Zeit gestellt und ich habe mir in der Folge ein CO₂-Messgerät aus Einzelkomponenten zusammengebaut und programmiert. Im heutigen Blogpost beleuchte ich die Hardware-Aspekte, bevor ich im nächsten Blogpost auf die Programmierung eingehen werde.
Aerosole
Unsere Ausatemluft enthält Aerosole. Mein Verständnis der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnislage ist, dass Aerosole eine Rolle in der Übertragung des Corona-Virus spielen. Im Sommer 2020 hat eine umfangreiche Gruppe von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern an die WHO appelliert, die luftgestützte Übertragung von Corona (airborne transmission) zu adressieren.
In meinen Recherchen zur Aerosol-Thematik bin ich auf ein Projekt des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier in Deutschland gestossen: Unter co2ampel.org hat das Team des Umwelt-Campus vorzüglich dokumentierte Ressourcen rund um das Thema von CO₂-Messungen zusammengestellt. Auch die wissenschaftliche Erkenntnislage zu Aerosolen und Corona wird dort mit Verweis auf weiterführende Literatur aufgearbeitet.
CO2 als Proxy-Mass
Das CO2 in der Raumluft (über den natürlichen Gehalt hinaus) entstammt aus der von anwesenden Personen ausgeatmeten Luft. Neben CO2 atmen wir auch Aerosole aus. Ist eine Person mit Corona identifiziert, kann sie auch mit Corona-befrachtete Aerosole ausatmen. Die CO2-Konzentration in einem Raum ist ein Mass dafür, wie gross der Anteil an ausgeatmeter Luft in der Raumluft ist. Damit kann die CO2-Konzentration laut dem Umwelt-Campus auch als Proxy für den Aerosolgehalt der Raumluft dienen. In Zeiten von Corona ist bei erhöhter CO2-Konzentration gutes Stosslüften angezeigt. Aber auch sonst lohnt sich das Tracking der Qualität der Raumluft: Es gibt in der Forschung Hinweise, dass sich die CO2-Konzentration negativ auf unsere Problemlösungs- und Entscheidungsfähigkeiten auswirkt.
Benötigte Hardware
Ich habe mich also entschlossen, ein CO₂-Messgerät anhand der Anleitungen der Hochschule Trier zu bauen. Ich habe mich für eine Variante mit zwei Displays entschieden: einem numerischen, das detaillierte Messwerte anzeigen kann, und einem grafischen, das den Zeitverlauf der CO₂-Konzentration anzeigen und als von Weitem erkennbare Warnung fungieren kann.
Ich habe mir dazu folgende Hardware besorgt (in meinem Fall in der Schweiz von Distrelec und Digi-Key; Kostenpunkt je nach gewählter Anzeige-Variante circa 80–100 Franken):
- Adafruit Feather Huzzah Board (with headers / solder-free): Board mit WLAN, zum Stecken bzw. lötfrei. Achtung: Aus der Community erreichte mich ein Hinweis, dass es vom Feather Huzzah Board verschiedene Versionen gibt, die unterschiedlich gut weiterzuverwenden sind. Ich habe die lötfreie Variante mit montierten Stapelstiftleisten wie oben abgebildet bestellt.
- Sensirion SCD30-Sensor: CO2-, Temperatur- und Luftfeuchtigkeit-Sensor. Die Hochschule Trier empfiehlt eine fertig verbaute und mit Anschlussstecker versehene Version dieses Sensors. Diese ist im Moment aber nur sehr schlecht lieferbar.
- Seeedstudio Grove Shield: Platine für lötfreies Zusammenbauen
- Seeedstudio Grove 4-Pin-Kabel mit Einrastung: Verbindungskabel
- Seeedstudio Grove 16×2 LCD White on Blue: Zweizeilige LCD-Anzeige, gibt es auch in anderen Farben
- Adafruit 15×7 CharliePlex FeatherWing: Zweidimensionale LED-Array, gibt es in diversen Farben
Will man nur eine Anzeigemöglichkeit umsetzen, kann man nur einen der beiden letzten Listeneinträge besorgen (oder keine, wenn man die Messwerte gemäss dem Internet of Things-Paradigma nur online verfolgen und visualisieren möchte).
Der Sensor: Sensirion SCD30
Der Sensor SCD30 von Sensirion (Datenblatt, pdf) ist ein sogenannter Nichtdispersiver Infrarotsensor (NDIR). Er verfügt über eine zweiteilige Messkammer. In den einen Teil diffundiert die Umgebungsluft. Eine Quelle sendet Infrarotstrahlung aus. Die CO₂-Konzentration wird aus der Absorption einer spezifischen Wellenlänge der Strahlung ermittelt (ein Prinzip, das wir bei EBP aus der Fernerkundung bestens kennen). Mit dem zweiten Teil der Messkammer kann mittels Messung eines Referenzgases der langfristige Sensor-Drift per Kalibration korrigiert werden. Der Sensor kompensiert für die Ermittlung der CO₂-Konzentration auch die Temperator der Umgebung.
Die Genauigkeit des Sensors beträgt laut Sensirion bei 25°C und im Bereich von 400–10’000 ppm CO₂ (parts per million) ±30 ppm. Den Sensor beim Zusammenbau bitte pfleglich behandeln: unvorsichtiger Transport, rauhe Behandlung oder ungebührliche Erhitzung können die Genauigkeit des Sensors verschlechtern.
Zusammenbau
Der Zusammenbau ist nicht sehr kompliziert, da weitgehend lötfrei. Einzig beim CharliePlex LED-Array und beim Sensor (weil ich auf die gut lieferbare, aber gehäuse- und steckerfreie Variante von Sensirion ausgewichen bin) gibt es etwas zu löten.
Beim CharliePlex LED-Array werden die Steckverbindungen mit insgesamt 28 (sehr einfachen) Lötstellen befestigt. Am besten kontrolliert man die Qualität der Lötstellen mit einer Lupe.
Nach dieser «Aufwärmübung» muss als nächstes ein Ende der Grove-Kabel an den Sensirion-Sensor angelötet werden. Dazu wird eine der Steckverbindungen abgeschnitten, die Drähte etwas auseinandergezogen und die Isolation z.B. mit einer Abisolierzange oder halt einer Schere sorgfältig entfernt:
Anschliessend werden die Drähte in der richtigen Reihenfolge an die I2C-Schnittstelle des Sensirion-Sensors angelötet. Dabei gelten die folgenden Zuordnungen:
- VIN (Voltage In, also Stromversorgung) = roter Draht
- GND (Ground, also Erdung) = schwarzer Draht
- TX/SCL (I2C Serial Clock) = gelber Draht
- RX/SDA (I2C Serial Data) = weisser Draht
Die Reihenfolge der Lötstellen am Sensor entspricht nicht genau der Anordnung der Drähte im Kabel (Klicken zum Vergrössern; in der Anleitung der Hochschule Trier findet sich auf der letzten Seite ebenfalls eine erklärende Abbildung):
Nachdem diese Lötarbeiten abgeschlossen sind, besteht der Rest des Zusammenbaus aus dem richtigen Zusammenstecken der diversen Komponenten:
Damit ist der Hardware-Teil des Baus, zumindest bezogen auf die Elektronik, abgeschlossen. Wenn man das Messgerät noch schön – zum Beispiel in einem Gehäuse oder einem Rahmen – verbauen möchte, findet man beim Umwelt-Campus Birkenfeld einige inspirierende Ideen.
Genutzte Ressourcen
- Artikel «COVID-19-Prävention: CO2-Messung und bedarfsorientierte Lüftung» des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier
- Artikel «Selbstbauanleitung Ampel» des Umwelt-Campus Birkenfeld der Hochschule Trier. Darin verlinkt:
- Anleitung (pdf) «Quickstart: CO2-Ampel mit Huzzah und LCD»
- Anleitung (pdf) «Quickstart: Alternative Messwertanzeige»: erläutert das Anschliessen von alternativen Anzeigen (gegenüber der standardmässig verwendeten Grove 16×2 LCD-Anzeige):
- der oben erwähnte CharliePlex 15×7 LED-Array
- eine Adafruit 4-Digit 7-Segment FeatherWings-Anzeige (Zahlen-Anzeige)
- ein Adafruit Neopixel FeatherWing 4×8 LED-Array
- ein Adafruit Neopixel 24 (farbiger LED-Ring)
- Datenblatt zum Sensor SCD30 (pdf) von Sensirion
Zweiter Teil: CO₂-Messgerät im Eigenbau: Software und Inbetriebnahme