Jeder, der häufiger mit kleinen Kindern Kontakt hat oder mit ihnen zusammenlebt, kennt das: Man ist an der Arbeit und sie fragen unablässig: Was machst du? Warum machst du das? Was ist das? Und was machst du jetzt?
Bei EBP entwicklen wir Lösungen für komplexe Probleme. Unsere Auftraggeber bewältigen komplexe Aufgaben und fällen anspruchsvolle Entscheidungen. Dabei wollen wir sie mit den bestmöglichen Werkzeugen und Datenvisualisierungen unterstützen.
Um die Anforderungen an digitale Produkte in komplexen Bereichen zu verstehen, machen wir im User Centered Design genau das: wir sehen den Nutzern bei ihren Tätigkeiten zu und stellen dazu jede Menge Fragen.
Den Nutzer verstehen
Im neuen Tätigkeitsfeld User Experience bei EBP ist es unser Ziel, diese Anwendungen so intuitiv und benutzerfreundlich zu gestalten wie möglich, damit die Nutzer ihre Aufgaben effizient und effektiv erledigen können. Doch dazu müssen wir zunächst die Aufgaben, Ziele und Frustpunkte der Nutzer der Anwendung verstehen lernen. Hierzu führen wir Contextual Inquiries durch.
Contextual Inquiry ist eine Methode der Nutzerforschung im User Centered Design (nutzerzentrierte Gestaltung) und dient dem Ziel zu verstehen, wie die Nutzerinnen ihre Aufgaben erledigen. Contextual Inquiry ist wortwörtlich die Untersuchung des Kontextes, eine Form der Feldforschung. Dabei werden die Teilnehmenden beobachtet, während sie Aufgaben ausführen und gebeten, diese gleichzeitig zu erläutern.
Ursprung
Die Methode der teilnehmenden Beobachtung (Participant Observation) kommt ursprünglich aus der Ethnologie. Die Forscher lebten zum Beispiel bei einem indigenen Stamm, nahmen an dessen Alltagsaktivitäten teil und erforschten auf diese Weise den Alltag und die Verhaltensweisen indigener Völker. Durch das direkte Dabeisein und beobachten konnten sie sehr viel über ihre „Forschungsobjekte“ erfahren. Im Unterschied dazu allerdings fragen wir in der Nutzerforschung unsere Teilnehmer ausdrücklich um Erlaubnis.
Vorteile gegenüber anderen Forschungsmethoden
Die Contextual Inquiry liefert sehr detaillierte Informationen, die mit anderen Forschungsmethoden wie Interviews, Tagebüchern oder Umfragen nicht erhoben werden können. Dazu gehören Daten zu Nutzern, dem Umfeld, weiteren beteiligten Personen, weiteren Arbeitsmitteln, Sinneseindrücken (z.B. Stress, Lärm, Ablenkung, Sichtverhältnisse), Arbeitsplatzergonomie, Arbeitsweise, Arbeitstempo, Häufigkeit von Aufgaben und vielem mehr.

Contextual Inquiry wird in der Regel eingesetzt, wenn wir einen Prozess in seiner natürlichen Umgebung und die verschiedenen Aspekte einer Tätigkeit in ihrer Gesamtheit erfassen wollen. Nutzer halten diese oft nicht für wichtig oder können sie in einem Interview nicht artikulieren, da sie ihnen nicht bewusst sind. Das vertraute Arbeitsumfeld fördert ein natürliches, von Störquellen unbeeinflusstes Arbeiten. Darüber hinaus sind komplexe Aufgaben oft sehr schwierig zu erklären und im realen Kontext einfacher für die Forschenden zu verstehen.
Feldforschung vor Ort
Im Rahmen eines UX-Mandates durfte ich kürzlich eine Beobachtung durchführen. Meine Aufgabe war es ein User Interface zu gestalten, das in den Hochkabinen an den Zollstellen für den LKW-Transit eingesetzt wird. Um die Herausforderungen bei der Arbeit in der Transithochkabine besser zu verstehen, habe ich Zollmitarbeiter je eine halbe Stunde bei ihrer Arbeit beobachtet und anschliessen ein halbstündiges Interview geführt. Meine Teampartner Christoph Bochsler und Sonja Harnischberg haben dabei protokolliert, gefilmt und fotografiert. Dabei haben wir uns nicht nur auf das bestehende Interface konzentriert, sondern uns auch für alle Umsysteme und Schnittstellen zu anderen Anwendungen interessiert.

Darüber hinaus konnten wir auch sehr viel über das Arbeitsumfeld erfahren: die Herausforderungen durch Verständigungsprobleme mit fremdsprachigen Chauffeuren, den Druck durch lange Warteschlangen an der Kabine und Systemausfälle.
Diese Faktoren hätten wir in einfachen Interviews nicht erkannt. Sie beeinflussen die Arbeit der Zöllnerinnen erheblich und erfordern schnelle und reibungslose Prozesse, die ein klar und schnell zu überblickendes User Interface unterstützt. Die gesammelten Erkenntnisse aus der Beobachtung halfen, auch vor- und nachgelagerte Prozesse zu verstehen und weitere angrenzende Anwendungen wie ein Cockpit für Transportanmeldungen und ein User Interface für die Kontrollteams der Zollstellen zu konzipieren.
Die gesammelten Daten haben wir im Anschluss ausgewertet und einen Zusammenschnitt der Videodaten dem Team präsentiert. Auf diese Weise konnten wir auch Stakeholder, die nicht vor Ort waren mit einbeziehen und Empathie für die Nutzer schaffen.

Methodik
Zeitpunkt
Eine Beobachtung wird in der Regel verwendet, um die bestehenden Aufgaben und Prozesse der Nutzer zu verstehen und ist die Grundlage, um neue Anwendungen zu entwickeln, die die beobachteten Probleme lösen und in den Kontext der Nutzer passen. Daher kommt sie ganz zu Beginn eines Projektes zum Einsatz.
Schüler-Meister-Verhältnis
Wichtig ist dabei das sogenannte Schüler-Meister-Verhältnis: der Nutzer ist der Experte und der Forschende lernt von ihm. Es geht explizit nicht darum, den Nutzer zu testen, sondern von ihm zu lernen.
Sample
Eine Contextual Inquiry sollte, wenn möglich, mit ungefähr fünf Personen durchgeführt werden. Bei weniger Nutzern besteht die Gefahr, dass die einzelnen Ergebnisse überbewertet werden, bei mehr Nutzern ist es meist schwierig, zusätzliche neue Erkenntnisse zu erlangen.
Resourcen
Eine Beobachtung sollte von zwei Personen durchgeführt werden: einer erfahrenen Nutzerforscherin, die die Beobachtung plant, leitet und das Interview führt und einem Protokollanten, der Notizen und Fotos oder Skizzen macht. Während der Beobachtung stellen die Forschenden immer wieder Verständnisfragen zu beobachteten Tätigkeiten oder verwendeten Arbeitsmitteln.
Befragung
Im Anschluss an eine Beobachtung folgt ein halbstrukturiertes Interview, um Verständnisfragen zu klären, die während der Beobachtung nicht gestellt werden konnten. Ausserdem kann gezielt nach Frustpunkten, Häufigkeiten von Aufgaben, weiteren involvierten Systemen und Personen oder Ausnahmefällen, die nicht beobachtet werden konnten, gefragt werden.
Auswertung
Im Anschluss an die Beobachtung werden die Forschungsergebnisse gesichtet, Aufnahmen transkribiert, ausgewertet und der Auftraggeberin präsentiert.

So wie Kleinkinder beim Zusehen von Erwachsenen lernen, gibt es keine bessere Methode als Nutzer zu beobachten, um möglichst viel über ihre Aufgaben und ihr Arbeitsumfeld zu lernen. Nur wenn wir die Probleme der Nutzerinnen vollkommen verstanden haben, können wir anfangen nach passenden Lösungen zu suchen.