Der Mensch sammelt Daten und destilliert daraus Informationen und Wissen. Das ist nicht erst seit der Erfindung des Computers so. Bisher konzentrierte man sich darauf, erhobene oder gemessene Daten rückblickend auszuwerten und daraus Entscheidungen abzuleiten. In den letzten Jahren werden gesammelte Daten aber immer häufiger «in Echtzeit» analysiert, um mit möglichst wenig Verzögerungen Entscheidungen zur Optimierung eines Systems zu treffen.
In klassischen datenverarbeitenden Systemen können die Auswertungsschritte manuell, teilweise automatisiert oder vollautomatisiert erfolgen. Ein klassisches Beispiel für ein solches (teilautomatisiertes) Vorgehen mit «historischen» Daten ist die Auswertung der Staustunden auf den Strassen für das vergangene Jahr.
Ein gutes Beispiel für ein System, das im selben Thema mit aktuellen Daten arbeitet, ist die Stau- und Strassenzustands-Info des TCS. Systeme, die solche Daten verarbeiten, heissen «Echtzeitsysteme». Diese sind ein wesentlicher Teil der aktuell stattfindenden Digitalisierung in den verschiedenen Branchen. Bei EBP verwenden wir die folgende Definition:
Unter «Echtzeitsysteme» verstehen wir informationstechnische Systeme, die bestimmte Ergebnisse zuverlässig innerhalb einer vorbestimmten Zeitspanne (zum Beispiel in einem festen Zeitraster) liefern können und bei denen die Datenverarbeitung (nahezu) gleichzeitig mit den entsprechenden Prozessen in der Realität abläuft.
Echtzeitdaten
Unabdingbare Grundlage für den erfolgreichen Aufbau und Betrieb von Echtzeitsystemen bilden natürlich Echtzeitdaten, also Daten, die nach ihrer Erhebung mit geringster Verzögerung im weiterverabeitenden System vorliegen. Sie können je nach Anwendungsfall nach einer zeitlich zufälligen Verteilung oder zu vorherbestimmten Zeitpunkten anfallen. Beispiele sind die Positionsdaten mobiler Objekte (z.B. Fahrzeugpositionen), Daten aus Umweltbeobachtungsnetzen (z.B. Temperaturen der Fliessgewässer), Verspätungsmeldungen des öffentlichen Verkehrs und Kursdaten an der Börse.
Technologie-Stack: Das Ökosystem
Echtzeitsysteme erfordern eine neue technische Infrastruktur. Porter und Heppelmann haben 2014 einen Technologie-Stack für smarte, vernetzte Systeme entworfen, der sich aus verschiedenen Schichten zusammensetzt. Dieses Modell lässt sich auch auf Echtzeitsysteme anwenden – siehe Abbildung unten (abgeändert nach Porter und Heppelmann):
Neue Blog-Serie
Im Rahmen einer Blog-Serie möchten wir uns die nächsten Wochen mit den einzelnen Elementen dieses Technologie-Stacks auseinandersetzen. Wir nähern uns dem Thema Echtzeitsysteme, indem wir auf sieben verschiedene Teilaspekte blicken:
- Teil 1: Sensoren
Sensoren sind Teil der Hardware eingebetteter Systeme. Sie sind die eigentlichen Messvorrichtungen und können verschiedene Technologien in sich vereinigen (wie z.B. Videofeeds, GNSS-Technologie, Piezoelektronik, Lidar-Technologie, Radar-Technologie) und entsprechend verschiedene Parameter messen. - Teil 2: Netzwerk-Kommunikation
Die Netzwerk-Kommunikation stellt die Übermittlung von Informationen im Echtzeitsystem sicher. Je nach Anwendungskontext kommen verschiedene Übertragungstechnologien in Frage, wie zum Beispiel 3G, 4G, 5G, LoRaWAN oder Bluetooth. - Teil 3: Unternehmensdaten
Unternehmensdaten sind interne Daten der Stammorganisation eines Echtzeitsystems. Sie stammen aus Enterprise Resource Planning- (ERP), Customer Relationship Management- (CRM), Product Lifecycle Management- (PLM) oder verwandten Systemen. - Teil 4: Externe Daten
Externe Daten stammen aus Quellen ausserhalb der ein Echtzeitsystem betreibenden Organisation. Sie können z.B. eine Aussensicht oder die Rahmenbedingungen für die Analyse von Echtzeitdaten liefern. Beispielsweise könnte eine Firma ein Echtzeitmonitoring der Qualität eines Produkts oder einer Dienstleistung mit aus Social Media extrahierten Rückmeldungen ergänzen. - Teil 5: Datenhaltung und -management
Dem Management von Daten kommt in Echtzeitsystemen eine wichtige Rolle zu: Je nach Ausprägung eines Echtzeitsystems muss die darunterliegende Dateninfrastruktur mit grossen Datenströmen umgehen können, also potenziell pro Sekunde Tausende oder gar Millionen von Messwerten empfangen, plausibilisieren, verarbeiten und für die weitere Analyse strukturiert ablegen können. - Teil 6: Datenanalysen
Datenanalysen sind der Schritt, in dem aus Daten Informationen und schliesslich Optimierungsentscheidungen getroffen oder zumindest vorbereitet werden. Anders als bei klassischen oder statischen Datenanalysen erfolgt hier die Verarbeitung nicht ex post und tendenziell einmalig, sondern in Echtzeit und dadurch natürlich stets hochautomatisiert. - Teil 7: Informationssicherheit und Datenschutz (ISDS)
Echtzeitsysteme können informationstechnisch heikle Daten verarbeiten, beispielsweise Personendaten, Daten, die einen Rückschluss auf Personen ermöglichen können, oder sicherheitsrelevante Daten. Wie in allen informationstechnischen Systemen kommt deshalb auch in Echtzeitsystemen der Informationssicherheit und dem Datenschutz (ISDS) hohe Bedeutung zu.
In den nächsten Wochen werden wir die einzelnen Teile aufschalten und diesen Blogpost mit Links aktualisieren. Folgen Sie dem Thema via unseren RSS-Feed oder folgen Sie dem Blog-Team auf LinkedIn oder Twitter.