Im Zug der fortschreitenden Digitalisierung werden Echtzeitsysteme immer wichtiger. In einer siebenteiligen Blogserie beleuchten wir diese aus unterschiedlichen Perspektiven:
- Teil 1: Sensoren
- Teil 2: Netzwerk-Kommunikation
- Teil 3: Unternehmensdaten
- Teil 4: Externe Daten
- Teil 5: Datenhaltung und -management
- Teil 6: Datenanalysen
- Teil 7: Informationssicherheit und Datenschutz (ISDS)
Sie lesen aktuell Teil 3 zu Unternehmensdaten.
In der Architektur von smarten Echtzeitsystemen, die wir von Porter und Heppelmann abgewandelt haben, gibt es neben verbauten Sensoren, die Daten liefern können, zwei weitere Lieferanten von Daten (Echtzeit oder nicht): Zum einen sind da Unternehmensdaten, zum anderen Daten aus externen Quellen. Im vorliegenden dritten Teil unserer Blog-Serie geht es um erstere.
Unternehmensdaten sind die intern erhobenen und vorliegenden Daten einer Organisation. Unternehmensdaten können auf zwei Wegen in ein Echtzeitssystem einfliessen: eigenständig oder in Kombination mit Echtzeitdaten, die von Sensoren generiert werden, die in einem Produkt oder einer Produktionskomponente eingebaut sind.
Quellen für Unternehmensdaten
Es gibt eine Serie von typischen Quellen, die einem Echtzeitsystem Unternehmensdaten zur Verfügung stellen können. Dazu gehören die folgenden IT-Systeme von Unternehmungen:
- Customer Relationship Management-Systeme (CRM-Systeme): CRM-Systeme unterstützen die Pflege von Kundenbeziehungen durch systematisches Management und Dokumentation über den gesamten Verlauf. CRM deckt also Marketing, Akquisition und Service bzw. Wartung ab. Ziele von CRM sind in der Regel die Steigerung der Kundenzufriedenheit, der Kundenbindung und der Kauffrequenz. Zur Erreichung dieser Ziele speichert ein CRM-System Daten zu Kundenkontakten (Gespräche, Mailings, Newsletter, Kundenfeedbacks, etc.) und zu Transaktionen (Verkäufen), legt diese strukturiert ab und macht sie zugänglich für Auswertungen. Im sogenannten analytischen CRM werden CRM-Daten genutzt, um zum Beispiel Fragen zum Marketing oder zur Produktentwicklung beantworten zu können. Im operativen CRM werden Mitarbeitende der Organisation darin unterstützt, die Organisationsziele zu erreichen, indem sie im Vertrieb nachfassen und Kunden mittels Up- oder Cross-Sellling anzusprechen versuchen. Schliesslich ermöglichst das sogenannte kommunikative CRM verschiedene Kommunikationskanäle für Kundenkontakte möglichst effizient nutzen zu können.
- Supplier Relationship Management-Systeme (SRM-Systeme): SRM-Systeme unterstützen die Mitarbeitenden einer Organisation dabei, die Beziehungen zu Lieferanten (von Gütern oder Dienstleistungen) der Organisation effizient und effektiv zu nutzen. Ziel des SRM ist es, mit strategisch wichtigen Lieferanten langfristige und für beide Seiten wertvolle Beziehungen aufzubauen und so zu einer innovativeren und qualitativ besseren Zusammenarbeit zu gelangen, als dass das mit gewöhnlichen Einkaufsprozessen möglich wäre. SRM ist deshalb quasi das Spiegelbild des CRM. Werkzeuge zur Beziehungspflege im SRM umfassen beispielsweise Lieferanten-Konferenzen, strategische Planungsmeetings, operative Review-Gefässe oder Abstimmungen auf Managementebene. SRM-Systeme dokumentieren die Kontaktpunkte in Lieferantenbeziehungen und machen sie zugänglich für Auswertungen.
- Supply Chain Management-System (SCM-Systeme): SCM-Systeme sind wie SRM-Systeme zu den Lieferanten einer Organisation orientiert. SCM-Systeme managen den Fluss von Gütern (oder auch Dienstleistungen), die eine Organisation bezieht und weiterverarbeitet. Teilgebiete sind deshalb die Überwachung und das Management des Transports und der Lagerung von Ressourcen (z.B. Rohmaterialien für die Produktion), des sogenannten Umlaufbestands und fertiggestellter Güter. Ziele von SCM umfassen die Sicherstellung der Effizienz aber auch der Nachhaltigkeit der Lieferkette und das Managen von Risiken.
- Product Lifecycle Management-Systeme (PLM-Systeme): PLM spannt sich über den ganzen Produktlebenszyklus: von der „Erfindung“ bzw. der Innovation eines Produkts, über die Konzipierung der Fertigung, die Herstellung, die Verteilung oder Auslieferung und den Unterhalt bis – gegebenenfalls – zur Entsorgung des Produkts. PLM umfasst fünf Fachgebiete: Produktdesign, Produkt-Management, Portfolio-Management, Management des Herstellungsprozesses (Manufacturing Process Management) und das Produktdatenmanagement. PLM-Systeme unterstützen Organisationen dabei, die Komplexität des Produktlebenszyklus zu bändigen.
- Enterprise Resource Planning-Systeme (ERP-Systeme): ERP ist definiert als das integrierte Management der Kern-Geschäftsprozesse einer Organisation. ERP-Systeme werden eingesetzt, um die wichtigsten Ressourcen (zum Beispiel Arbeitskraft, Produktionskapazität, Rohmaterialien, finanzielle Mittel) und die Verpflichtungen (zum Beispiel Bestellungen, Gehaltskosten) einer Organisation zu überwachen und zu verwalten. ERP-Systeme integrieren diverse geschäftskritische Systeme. In einem breiten Verständnis von ERP-Systemen sind alle obengenannten Systeme für CRM, SRM, SCM, PLM Bestandteil des umfassenden ERP-Systems. Zusätzliche Komponenten können zum Beispiel das Enterprise Asset Management (EAM), Human Resource Management (HRM), Accounting, Business Intelligence und einige weitere sein.
Anwendungsfälle für Unternehmensdaten
Wie können nun Unternehmensdaten zielführend in Echtzeitsystemen Verwendung finden? – Die Verarbeitung von Unternehmensdaten (und allenfalls zusätzlichen Daten aus weiteren Quellen) ist oftmals im Umfeld von geschäfts- oder sicherheitskritischen Entscheidungen anzutreffen. Zwei Beispiele:
Monitoring und Wartung von Gleisen
Die Infrastruktursparte eines Transportunternehmen im Schienenverkehr ist damit betraut, sämtliche trassenseitige Hardware des Bahnbetriebs zu erstellen, zu überwachen, zu unterhalten und gegebenenfalls zu erneuern. Für ein vollständiges Lagebild über den Zustand beispielsweise eines Gleisabschnitts im Bahnnetz und dessen effiziente Instandhaltung sind verschiedene Parameter interessant:
- Typ von Unter- und Oberbau
- Alter und Qualität der verbauten Materialien
- vorgenommene Spezialbehandlungen wie Farbbehandlungen
- durchgeführte Instandhaltungsarbeiten
- durch äussere Einflüsse induzierte Veränderungen der Qualität der Gleise, zum Beispiel Gleislagefehler
- Belastung des Streckenabschnitts durch Züge
Die Informationen zu diesen Parametern haben natürlich eine unterschiedliche zeitliche Dynamik. Sie werden aber gemeinsam im Echtzeitsystem des Infrastrukturunternehmens aus diversen Quellen zusammengeführt:
- Bei Daten zu Typ von Unter- und Oberbau, zu Alter und Güte der verbauten Materialien, zu vorgenommenen Spezialbehandlungen und Wartungsarbeiten handelt es sich um Unternehmensdaten des Infrastrukturbetreibers. Diese können aus einem ERP-System oder einer der darin enthaltenen Komponenten (zum Beispiel dem Supply Chain Management-System, dem Enterprise Asset Management-System oder dem Product Lifecycle Management-System) entnommen werden.
- Daten zu Veränderungen der Qualität der verbauten Gleise werden beispielsweise mittels Gleismessfahrzeugen oder mittels Ultraschallprüfgeräten erhoben. Es handelt sich daher um Sensordaten. Sobald vorhanden, fliessen diese ins System ein.
- Wichtige Angaben zur Belastung eines Streckenabschnitts umfassen die Zahl der verkehrenden Züge, deren gefahrenen Geschwindigkeiten sowie deren Achslasten. Diese Daten gelten für das Echtzeitsystem des Infrastrukturbetreibers als externe Daten. Sie können aus den Systemen der Transportunternehmen erschlossen werden.
Sicherstellung der Versorgung mit Wasserkraft
Die Wasserkraft ist mit knapp 60% Anteil an der Energieversorgung der Schweiz die wichtigste erneuerbare Energiequelle. Gleichzeitig ist sie aufgrund äusserer Faktoren Schwankungen unterworfen. Als Beispiel ist eine Energienetzgesellschaft verantwortlich für den sicheren Betrieb der Netze und der Energieversorgung. Dazu gehört zum Beispiel die rechtzeitige Identifikation von potenziellen Versorgungsengpässen bei der Wasserkraft.
Um ein Echtzeitlagebild zur potenziellen Energiegewinnung aus Wasserkraft zu haben, benötigt die Netzgesellschaft möglichst viele relevante Informationen, zum Beispiel:
- Angaben zu Speicherseen: Volumina, Lage, aktueller Füllstand
- Produktionskapazitäten von Kraftwerken
- Transportkapazitäten im Netz
- aktuelle Energieproduktion und aktueller Energieverbrauch
- Marktpreise für Energie
- Angaben zu Zuflüssen und Einträgen via Niederschlag und Schneeschmelze (Temperatur, Schneedecke)
Angaben zu Speicherseen, Kapazitäten, Produktion und Verbrauch entstammen ERP-Systemen. Es sind Unternehmensdaten (wenn sie nicht im eigenen Unternehmen entstehen und gehalten werden, kann es sich bei einem Teil der Daten aus Sicht der Netzgesellschaft auch um externe Daten handeln). Hinzu kommen diverse Sensordaten (etwa zum Füllstand von Reservoirs, Wetter) bzw. externe Daten aus Prognoserechnungen, wenn das System nicht nur echtzeit- sondern gar vorhersagefähig sein soll.
5 Gedanken zu „Fokus Echtzeitsysteme – Teil 3: Unternehmensdaten“
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