User Centered Design lebt vom direkten Kontakt zu den Nutzerinnen und Nutzern. Viele Methoden finden vor Ort im 1:1 Setting statt. In der momentanen Situation ist dies oft nicht möglich. Trotzdem muss man nicht auf die Durchführung nutzerzentrierter Methoden verzichten: Vieles ist auch remote umsetzbar.
Eine Methode, die auch remote gut durchführbar ist, ist der Usability Test. Konferenztools wie Lookback, Skype oder Teams erlauben es, Inhalte zu teilen und Teilnehmenden die Steuerung zu übergeben: Für Prototypen digitaler Anwendungen eine ideale Ausgangslage.
In den letzten Wochen haben wir sämtliche Benutzertests komplett remote durchgeführt. In diesem Blogpost möchten wir euch von unseren Erfahrungen und Learnings berichten.
Methodik
Der Usability Test dient der Evaluation eines interaktiven Systems. Dabei kann es sich um eine fertige Applikation, einen klickbaren Prototyp oder einen Mockup in Form von Hand-Skizzen handeln: Im Zentrum steht nicht das Design, sondern die Benutzerfreundlichkeit des Systems. Diese wird anhand von Testaufgaben evaluiert, welche die Testpersonen direkt am System lösen. Durch Beobachtung und gezieltes Nachfragen können so Erkenntnisse zur Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung während der Nutzung gewonnen werden. Diese Erkenntnisse wiederum fliessen in die Überarbeitung des Systems ein.
Besonderheiten von remote durchgeführten Usability Tests
Im Vergleich zu einem Usability Test vor Ort sind remote Usability Tests wesentlich unpersönlicher. Auch wenn während dem Test die Kamera aktiviert ist, kann es schwieriger sein, die Reaktionen der Benutzer zu interpretieren, da Gestik und Mimik weniger gut transportiert werden.
Ein weiterer Punkt ist die verringerte Kontrollierbarkeit: Faktoren wie Stärke der Internetverbindung oder Störung durch Dritte auf Seiten der Testpersonen sind durch den Moderator kaum kontrollierbar.
Learnings zum Thema remote Usability Testing
Aus unseren bisherigen Erfahrungen mit remote durchgeführten Usability Test haben wir folgendes gelernt:
- Wahl des Konferenztools: Es lohnt sich, im Vornherein abzuklären, wie flexibel die teilnehmenden Personen in der Nutzung verschiedener Konferenztools (wie Teams oder Skype for Business) sind. Es kann sein, dass in gewissen Organisationen die Verbindung mit externen Geräten ausserhalb des Netzes nur eingeschränkt möglich ist. In diesem Fall besteht möglicherweise die Option, eine Gratisversion eines anderen Tools zu installieren, um am Test teilnehmen zu können. Auch hier gilt es jedoch zu beachten, ob die Testperson respektive deren Gerät über die dafür notwendigen Rechte verfügt.
- Recording: Für die Dokumentation und Auswertung der gewonnenen Erkenntnisse lohnt es sich, die Testsitzungen aufzuzeichnen. Auch hier kann es vorkommen, dass die integrierte Aufnahme-Funktion eines Konferenztools unter Umständen nicht funktioniert wie geplant. Aus diesem Grund lohnt es sich, ein alternatives Aufnahme-Tool bereit zu haben, um im Notfall wechseln zu können.
- Einverständniserklärung: Wenn wir Daten von Personen erheben, brauchen wir auch immer das Einverständnis der Person. Beim Aufzeichnen muss beachtet werden, dass unter Umständen auch das Gesicht aufgenommen wird und aufpoppende Benachrichtigungen, die auf dem Bildschirm erscheinen. Die Testpersonen sollten alle Anwendungen und nicht benötigten Browserfenster vor dem Start der Aufnahme schliessen. Aus der Einverständniserklärung muss ersichtlich sein, wo die Daten gespeichert werden, wie lange sie aufbewahrt werden, wofür sie verwendet werden und wer dazu Zugang hat.
- Probelauf: Wie auch bei Usability Tests vor Ort ist ein Probelauf essenziell. Es hilft, die technischen Aspekte zu testen, wie zum Beispiel das Teilen des (richtigen) Bildschirms, das Aufnehmen der Session oder organisatorische Aspekte wie eine komfortable Anordnung der Fenster auf dem Bildschirm des Moderators.
- Vorbereitung der Testpersonen: Die Testpersonen sollten gut vorbereitet werden, um das meist knappe Zeitfenster für den Test möglichst effizient nutzen zu können. Beispielsweise sollte wenn möglich sichergestellt werden, dass die Teilnehmenden für den Test einen grossen Bildschirm zur Verfügung haben, damit die geteilten Inhalte nicht zu klein dargestellt werden und dadurch die Interaktion mit dem zu testenden System erschwert wird. Es lohnt sich, wichtige Unterlagen im Voraus zuzustellen, sodass die Testperson beispielsweise die Möglichkeit hat, die Testaufgaben auf Papier auszudrucken. So kann sie diese während dem Lösen der Aufgaben nochmals lesen, auch wenn kein zweiter Bildschirm zur Verfügung steht.
- Vorstellungsrunde: Für die Vorstellungsrunde sollten alle teilnehmenden Personen die Kamera einschalten. Auch während dem Vor- und Nachinterview des Usability Tests ist es angenehmer, wenn sich die Gesprächspartner sehen können.
Falls dies nicht möglich sein sollte, kann man für die Vorstellungsrunde auch eine Powerpoint-Präsentation vorbereiten, in der man über den Ablauf informiert und die Teilnehmenden mit Foto vorstellt.
- Nachfragen: Während des Tests kann es sich lohnen, einmal mehr nachzufragen, was der Testperson durch den Kopf geht. Insbesondere wenn es der Testperson schwerfällt, laut zu denken, kann es unter Umständen schwierig sein, ihre Reaktion richtig zu deuten, da ein Grossteil der Gestik und Mimik entfällt.
- Beobachtende: Ein Vorteil von remote Usability Tests besteht darin, dass mehr BeobachterInnen dabei sein können, ohne dass sich die Testperson allzu unwohl fühlt. Während es bei einem 1:1 Usability Test bereits unangenehm sein kann, wenn neben dem Moderator eine weitere beobachtende Person dabei ist, stört die Anwesenheit mehrerer Personen remote weniger, da diese nicht im direkten Sichtfeld sind und einfacher ausgeblendet werden können.
Welche Erfahrungen habt ihr gemacht mit remote Usability Testing?
Welche Vor- und Nachteile seht ihr dabei?
Entdecke mehr von digital.ebp.ch
Subscribe to get the latest posts sent to your email.