Die Limiten unserer Erfahrung um Entscheidungen zu treffen
Wissenschaftler messen, dass ungefähr 95 % unserer Gedanken auf einer unbewussten Ebene geschehen. Wenn wir diese Zahl auf einen Tag herunterbrechen, dann steuern wir tatsächlich ca. 1.5 Stunden pro Tag was wir denken.
Darüber hinaus, haben Wissenschaftler gezeigt, dass 7 Sekunden bevor wir uns einer Entscheidung bewusst sind, Signale im Gehirn vorhanden sind, welche den Ausgang unserer Entscheidung schon hervorsagen. Sprich unsere Entscheidungen passieren wahrscheinlich zuerst unbewusst im Gehirn und wir werden uns dann in einem zweiten Schritt unserer «Entscheidung» bewusst.
Wie viel von dem was wir täglich machen steuern wir also? Und wie viel davon basiert auf Verknüpfungen im Gehirn die aus Erfahrungen, die wir in der Vergangenheit gemacht haben stammen?
Wie können wir Entscheidungen immer wieder aufs Neue anpassen?
Gemessene 40% unserer Entscheidungen basieren nämlich auf Gewohnheiten.
Unsere Erfahrung basiert auf dem was wir in der Vergangenheit erlebt haben und als erfolgreich oder nicht eingestuft haben. Darauf basieren wir unsere Werte, Prinzipien, Gewohnheiten und Entscheidungen.
Die meiste Zeit des Tages laufen wir also auf Autopiloten, «getrieben» durch das was wir in der Vergangenheit erlebt haben. Indem wir in der Gegenwart mit den in der Vergangenheit erlernten Muster reagieren, gestalten wir unsere Zukunft also meistens stark nach unserer Vergangenheit (und werden dadurch zur laufenden Selbsterfüllenden Prophezeiung).
Wie können wir in der heutigen höchst volatilen, unsicheren, komplexen, mehrdeutigen und nicht mehr der Vergangenheiten entsprechenden, aka VUCA Welt navigieren, wenn das was wir meistens denken auf einer Erfahrung der Vergangenheit aufbaut?
Was braucht es in der VUCA Welt um bessere Entscheidungen zu treffen und Innovationskraft zu erschliessen?
Wenn wir in einer Zeit wie der heutigen leben, in der das, was in der Vergangenheit funktioniert hat, nicht mehr das sein wird, was in der Zukunft funktioniert, müssen wir neue Wege des Denkens, Agieren und Lernen finden.
Otto Scharmer, ein MIT-Professor, stellte daher die Frage, ob es möglich sei, von der sich abzeichnenden Zukunft zu lernen und begab sich damit auf eine lange Reise und schuf dabei den Rahmen der Theory U.
Theory U ist ein Rahmenwerk für Veränderungsmanagement und Innovation, das Werkzeuge und Kompetenzen beschreibt, die wir brauchen um durch diese VUCA Welt zu navigieren und Projekte und Transformationen erfolgreich durchzuführen.
Wenn wir etwas machen (zum Beispiel Projektarbeit), gibt es dazu ein «WAS» machen wir: die konkreten Aufgaben, Methoden und Techniken die wir erledigen oder anwenden. Es gibt auch ein«WIE» machen wir: die Qualität mit welcher wir machen und ein «WIESO» machen wir: der Grund etwas zu machen oder unsere ware Intention.
Wieso müssen wir uns mit dem «WIE» und «WIESO» wir etwas machen beschäftigen?
Im agilen Manifest wird von People and Interactions over Prozesses and Tools (von Menschen und Interaktionen vor Prozessen und Tools) gesprochen. Doch wie wird Agilität in Unternehmen oft gelebt?
Wie erlernen das «WAS machen wir» – welche Prozesse und Meetings müssen gehalten werde, wie lange sind Sprints und was sind die Deliverables. Das «WIE machen wir», wird weniger Beachtung geschenkt.
Damit wir das «WIE machen wir», war nehmen können, muss wir uns mit dem eigenen Bewusstsein und der eigenen Präsenz auseinandersetzen. «Wie bin ich da? Wie geht es mir? Was geht in mir ab? Wie höre ich zu? Wie spreche ich?»
Und dann das gleiche mit dem Gegenüber. «Wie spreche ich? Wie spricht mein Gegenüber? Wie geht es ihm? Was entsteht zwischen uns? Was entsteht auf der Ebene des Gespräches, der Ideen, der Gefühle? Was braucht es gerade jetzt?» Und darüber hinaus in immer grössere Menschensysteme «Was entsteht auf der Ebene eines Meetings? Einer Strategie? Eines Unternehmens?»
Das «WIE machen wir» baut darüber hinaus auf dem «WIESO machen wir» auf. «Wieso mache ich das? Was möchte ich erreichen? Was ist meine Intention?»
Otto Scharmer richtet unsere Aufmerksamkeit genau auf diesen blinden Fleck der meisten Personen, Führungskräfte und Unternehmen: «Aus welchem Ort operieren wir?» «Was ist unsere Intention?» Auf die innere Bedingung, das «WIESO» ich etwas tue, bzw. die Quelle, aus der ich agiere, sprich auf die Qualität meiner Aufmerksamkeit, meiner Absicht und meiner Präsenz kommt es an.
Das «WAS» ich mache, beeinflusst den Output (klassischen Deliverables, Meilensteine und Ergebnisse) und das «WIE» und «WIESO» ich mache und die Qualität meiner Präsenz beeinflussen den Outcome (Mass des erreichten Wertes). Wir kommen als immer mehr weg von Output und hin zu Outcome, so wie es in agilen Arbeitsweisen vorgesehen ist.
Zurück zur VUCA Welt… Wir leben in einem Moment und einem Zeitalter der Diskontinuität, das bedeutet, dass die Zukunft anders sein wird als die Vergangenheit und der gegenwärtige Moment. Es ist ein Moment, in dem das, was in der Vergangenheit funktioniert hat, in der Zukunft nicht mehr funktionieren wird, und das, was in der Zukunft sein wird, noch nicht da ist.
Wie finden wir den Weg, um die Kluft zwischen heute und morgen zu erschliessen?
Können wir aus der sich abzeichnenden Zukunft lernen?
Theory U schlägt vor von der sich abzeichnenden Zukunft zu lernen, anstatt von der Vergangenheit. Was bedeutet das genau?
In einer höchsten Verbundenheit mit sich selber, den beteiligten Stakeholders, dem Unternehmen und allem darüber hinaus, alles alte loslassen und durch reine Präsenz in diesem Moment auf das zu hören was geschehen will (oder kurz darauf ist zu geschehen, was dringend gebraucht wird und sowieso geschehen wird) und dann zur Hand werden, die dieses Geschehen vereinfacht.
Und was braucht es dazu?
Laut Theory U lautet es:
- Offener Verstand – die Fähigkeit, alte Urteilsgewohnheiten außer Kraft zu setzen und mit neuen Augen zu sehen (Neugierde)
- Offenes Herz – die Fähigkeit, sich in einen anderen Menschen hineinzufühlen, ein Problem aus dem Blickwinkel des Betroffenen betrachten zu können (Mitgefühl)
- Offener Wille – die Fähigkeit altes loszulassen und Neues zuzulassen (Mut)
Wie lässt sich dies in die Praxis umsetzen?
Um von der sich abzeichnenden Zukunft zu lernen, müssen wir mit der Ablegen aller Konzepte beginnen, in eine reine wertfreie Beobachtung des Ist-Zustandes kommen und schnell unterschiedliche Vorgehensweisen ausprobieren und bewerten:
- Bewusstsein auf die Ganzheit des Selbst richten, seine innere Landschaft wieder kennenlernen und verstehen (anstatt von verdrängen)
- In die innere Stille gehen und als Einzelpersonen (und dann später auch als Gruppen) auf tiefere Quellen der Intuition zugreifen, welche Vorurteil und Wert-frei sind
- Schnell und zyklisch handeln – durch Rapid Cycle Prototyping und andere Methoden wie Design Thinking oder Scrum
Wie können wir die unter 1. und 2. oben genannte Qualitäten und Kompetenzen kultivieren?
Indem wir uns wieder unserer Ganzheit bewusst werden und unsere Aufmerksamkeit darauf richten: dabei helfen zum Beispiel, Praktiken der Achtsamkeit und Meditation, Praktiken des Hinterfragens dessen, was wir tun, um so viel wie möglich mit neuen Augen zu sehen, Praktiken der Verkörperung und der Integration der Emotionen (Emotionale und Sachebene wieder verbinden) sowie Praktiken des Zuhörens. Hilfreich sind auch Methoden, die sich aus anderen Kulturen bedienen und generell alles was das gewohnte Denken unterbricht und eine Sicht auf das neue ermöglicht (Arbeit mit Lego, Aufstellen von Projekten in 3D, Design Thinking, Visionssuche, etc).
Im folgenden gehen wir noch genauer auf die Praktik des «Zuhörens» ein.
Zuhören – Eine der Kernkompetenz für die Agile Transformation
Um die Ist-Situation wirklich Vorurteils- und Vergangenheits-frei einschätzen zu können, müssen wir mit den Augen und Ohren eines Neugeborenen Information aufnehmen.
Oft denken wir, wir verstehen etwas, aber wie oben beschrieben basieren die meisten unserer Gedanken und Entscheiden auf unbewussten Vorgehen.
Richtiges vorurteilsfreies und offenes zuhören zu lernen ist also eine der Kernkompetenzen, die es für das korrekte Einschätzen der Ist-Situation braucht.
Aber wie hören wir meistes zu?
Studien zeigen, dass 60% der Zeit in welcher jemand anderes redet, denken wir an das Nächste, was wir sagen wollen und warten auf den richtigen Moment.
Stellen Sie sich, bei jedem Gespräch, das Sie heute führen werden, die Frage: «Höre ich zu oder warte ich darauf zu sprechen?»
Welche weitere Tipps und Tricks gibt es um besser zuhören zu üben?
Einige davon werden in der Theory U vorgestellt und geübt.
Levels of listening. Image, Presencing Institute – Otto Scharmer
Wenn wir auf der „ersten“ Ebene zuhören, hören wir zu aber eigentlich meinen wir schon alles zu wissen und nehmen nur das war, was unsere Sicht bestätigt: Meinungen und Urteilewerden bekräftigt.
Wenn wir auf der „zweiten“ Ebene zuhören, versuchen wir wie ein Wissenschaftler neue Fakten aufzunehmen und alle unsere Hypothese zu widerlegen.
Wenn wir auf der „dritten“ Ebene zuhören, versetzen wir uns ganz in den anderen Menschen zu verstehen und verlassen dabei unsere eigene Mitte.
Wenn wir auf der „vierten“ Ebene zuhören, versuchen wir aus „der besten Version unserer selbst“ und aus dem „Herausspüren von dem was entstehen möchte“ zuzuhören und ist die schwierigste Ebene zum versehen ohne die Erfahrung davon gemacht zu haben.
Es gibt auch an vielen anderen Stellen spannende Tips zum Zuhören. Vor allem braucht es aber eins: wahrhaftiges Interesse dafür einen Menschen kennenzulernen und zu verstehen. Dann fliesst alles von selbst.
Stellen Sie sich also vor, dass Sie mit jemanden sprechen an dem sie wahrhaftiges Interesse haben und dass nichts von dem was Sie sagen möchten von Interesse ist und versuchen Sie herauszufinden wo ihre Annahmen über diesen Menschen falsch sind.
Was sind weitere Kernkompetenzen für die agile Transformation?
Bei EBP versuchen wir immer wieder ausserhalb des Rahmens zu denken und haben auch im Bereich Digitalisierung, Projekt-Führung und Change-Management spannende neue Frameworks im Einsatz.