Neben dem bewährten GIS-Technologiestack basierend auf der Esri-Produktpalette, etabliert sich bei uns mehr und mehr auch ein Open Source GIS-Stack. Um auf dem neusten Stand zu bleiben und uns aktiver in die Community einbringen zu können, besuchen wir regelmässig die FOSS4G. Dieses Jahr hat uns Lukas Merz vertreten. Ein Erfahrungsbericht aus seiner Sicht.
Einmal im Jahr trifft sich die globale Open Source Geospatial Community für einen knapp einwöchigen Kongress zu Vorträgen, Workshops, Codesprints und viel Networking. Im Folgenden möchte ich über die wichtigsten Punkte berichten, die ich an den drei Hauptkongresstagen mit Vorträgen über die neusten Entwicklungen im Open Source Bereich mitgenommen habe.
Cloudnative Geospatial
Ein Schlagwort, das sich durch alle drei Kongresstage und mehr oder weniger alle Tracks zog. Wer mit Geodaten arbeitet, weiss, dass die Datenmengen sehr schnell sehr gross und die Verarbeitungsschritte komplex werden. Cloudnative Geospatial hat zum Ziel, die Vorteile der allseits bekannten Cloudtechnologien so einzusetzen, dass durch optimierte Formate riesige Mengen an Geodaten einfach in die Cloud gespeichert und ebenso effizient abgerufen oder verarbeitet werden können. Dies umfasst insbesondere column-based Formate wie Apache Parquet und war auch bei Even Rouaults Vortrag über den Status von GDAL ein Thema, bei welchem er den wachsenden Support für diese Formate aufzeigte und auch gleich auf die Performancegewinne aufmerksam machte.
Ein besonderes Highlight in diesem Themenfeld war der Vortrag von Protomaps-Erfinder Brandon Liu: Er hat mit Protomaps ein tile-basiertes Format entwickelt, das es erlaubt, beliebig grosse Tiledatensätze als einzelne Datei in einem einfachen Object-Storage wie S3 zu speichern und über ein cleveres Nutzen von http-Range-Requests aus diesem File die benötigten Tiles zu extrahieren. Dadurch verringern sich die Kosten erheblich und reduzieren die Schwelle für den Eintritt in den webbasierten Geodatenmarkt, da keine komplexen Server mehr gehostet werden müssen.
Cloud ist kein Allheilmittel, und dann gibt es noch die Umwelt
Nebst den ganzen Vorteilen und Tools, die im Zusammenhang mit cloudbasierten Geodaten diskutiert wurden, gab es aber auch kritische Stimmen. Brandon Liu hat selbst über cloudnative Formate reflektiert und deutlich gemacht, dass dies nicht immer der günstigste, einfachste und schnellste Ansatz ist. Nur weil es «cloud» ist, ist es nicht besser, und es muss stets abgewogen werden, ob die Vorteile überwiegen.
Dennis Bauszus hat in seinem Talk «Elephant in the room» darüber reflektiert, dass wir durch die Nutzung von Clouds die Umweltbelastung externalisieren und oft vergessen, dass die Rechenzentren erheblichen Einfluss auf unsere Umwelt haben. Dadurch, dass der einzige objektive Faktor für die Entscheidung in der Cloud bei identischer Funktionalität der Preis ist, können wir die Umweltauswirkungen nicht richtig quantifizieren. Eine Lösung für dieses Problem gibt es aktuell noch nicht, aber Dennis hat verschiedene Punkte aufgeführt, mit welchen der digitale Fussabdruck reduziert (oder zumindest reflektiert) werden kann (Muss man wirklich alles kacheln? Müssen wirklich alle Datensätze georedundant gespeichert werden?).
Standardisierung und Technologien
Standardisierung ist ein grosses Thema, um das sich auch die OGC sehr stark bemüht. Nebst verschiedenen Talks über die OGC API Spezifikation waren auch die Informationen über die sogenannten Building Blocks sehr interessant, welche künftig ein einfaches Zusammenstellen von benötigten Funktionen erlauben sollen. Die Building Blocks definieren dabei eine Liste von Anforderungen, welche unabhängig von ihrem Kontext z.B. für das Erstellen von APIs oder Webdienste genutzt werden. Sie sind wiederverwendbar und verringern die benötigte Arbeit, um ein neues Produkt zu lancieren und erhöhen gleichzeitig die Standardisierung und Interoperabilität.
Ganz im Stile von Open Source Software gibt es viele «Grass Root Movements», welche Standardisierungen anstreben. Interessant war etwa Matt Hansons Vortrag über die Bestrebungen von Element84, den Bestellprozess für Satellitenbefliegungen zu standardisieren. Hierfür haben sie bereits erste Prototypen entwickelt und arbeiten gemeinsam mit grossen Satellitenbetreibern zusammen, um dies zu standardisieren.
«No Code»-Plattformen, also Dienste, welche das Erstellen von Webapplikationen ohne das Schreiben jeglichen Codes ermöglichen, waren ebenfalls ein zentrales Thema. Dies zeigte sich schon dadurch, dass mit Re:Earth ein entsprechender Diamond Sponsor anwesend war. Die Plattformen bieten innovative Ansätze für einen einfachen und umfassenden Zugang zu Geodaten und dürften in Zukunft stark wachsen.
Interoperabilität und Zusammenarbeit mit proprietärer Software
Ein wichtiger Umstand von freier Geosoftware ist deren Interoperabilität – die Tools sollen so einfach wie möglich miteinander über klar definierte Schnittstellen uns Austauschformate kommunizieren. So erlaubt es etwa GeoStyler von verschiedenen Darstellungsformaten hin und her zu konvertieren und mit einer graphischen Oberfläche das Erstellen ebendieser Darstellungen zu vereinfachen.
Auch das Zusammenspiel mit proprietärer Software wurde grossgeschrieben. Nebst den sporadischen, fast schon obligatorischen Seitenhieben in Richtung bekannter GIS-Firmen und deren proprietären Produkte und Formate, wurden viele Ansätze gezeigt, wie die beiden Welten miteinander existieren können. So hat zum Beispiel der Kanton Aargau weiterhin Esri-Produkte im Desktopbereich im Einsatz, publiziert diese aber nun mit Geoserver. Dieser Ansatz scheint sehr vielversprechend, da man so das jeweils beste Tool (ob open source oder proprietär) für den jeweiligen Einsatzzweck wählen kann und sich nicht gegenseitig im Weg steht.
Fazit
Der Austausch mit den anderen Teilnehmenden war enorm bereichernd und es konnten viele interessante Ideen diskutiert werden. Open Source Geospatial ist lebendig wie eh und je und es zeichnet sich kein Abklingen der Innovationen ab. Die gesamte Kongressorganisation war perfekt und die Stimmung äusserst fröhlich. Wenngleich mit rund 300 Vorträgen auf 3 Tage verteilt ein enorm dichtes Programm (und leider auch mit unvermeidbaren Überlagerungen) kreiert wurde, blieb dennoch viel Gelegenheit für Networking. Und spätestens an den Social Events gab es kein Halten mehr und die heiseren Stimmen am Freitag zeugten von einer gelungenen Party. Ich freue mich schon auf das nächste Mal!
Entdecke mehr von digital.ebp.ch
Subscribe to get the latest posts sent to your email.