Als dieser Blog noch geo.ebp.ch hiess – sprich: vor laaanger Zeit (siehe hier) – war auch der Aufbruch zur professionellen Nutzung von sozialen Netzwerken. Ich persönlich habe mich wie einige Kolleginnen und Kollegen insbesondere auf Twitter vernetzt und ausgetauscht zu Geoinformations- und Daten-Themen. Die Decade of Twitter hat aber geendet. Wo stehen wir heute bezüglich Austausch, Netzwerken und Wissensmanagement, nach dem breit erfolgten «X-it»?
Vom Blogging …
Unser erster Blogbeitrag hier stammt vom 8. September 2009 und von Ivo Leiss: Das MapDotNet UX Interactive SDK ist hier.
Ziemlich genau ein Jahr später habe ich begonnen, bei EBP zu arbeiten, im damaligen Tätigkeitsfeld (vulgo: Team) «Geoinformation».
… über «Microblogging»
Noch ein Jahr später (2011) habe ich einen Twitter-Account eröffnet und begonnen, mich auf jener Plattform auszutauschen zu Geoinformatik und Themen rund um Daten. Nochmals ein Jahr darauf (2012) habe ich mit zwei, später: drei, Freunden die Plattform und Ein-Stück-weit-private-«Forschungsinitiative» SoMePolis aus der Taufe gehoben (siehe hier, hier, hier, hier oder hier).
Wir haben damals – ich glaube, richtig – festgestellt: «Mit Facebook, Twitter (…) und vielen anderen sind die neuen sozialen Medien in der Bevölkerung angekommen und stellen vor allem für den jüngeren Teil der Schweizer Gesellschaft eine Selbstverständlichkeit dar. In Abgrenzung zu den bisherigen zeichnen sich diese neuen Medien durch die Betonung des Dialogs aus. Die Präsenz eines Unternehmens, einer Bewegung oder einer öffentlichen Person auf sozialen Plattformen wird von Mit-Nutzerinnen und -Nutzern solcher Plattformen gerne als ein ständiges Gesprächsangebot verstanden.»
Nochmal ein Jahr später (2013) habe ich ursprünglich für SoMePolis entwickelten Python-Code mal daraufhin angepasst, in der Schweiz domizilierte, miteinander per Following-Beziehung verknüpfte Twitter-Accounts zu finden, die zu Geoinformatik-Themen posten.
Stephan Heuel bzw. «@ping13» und ich haben angesichts der uns sowieso bekannten und der auf diese Weise zusätzlich gefundenen Twitter-Accounts im März 2013 das GeoBeer ersonnen und zum ersten Anlass der Reihe (GeoBeer #1 im März 2013) zu EBP nach Zürich eingeladen.
… zum GeoBeer
Circa 40 Twitter-User aus dem Netzwerk von nur (!) 74 haben sich «IRL» (in real life) an unserem Standort beim Bahnhof Stadelhofen zum geselligen Austausch zusammengefunden. Fun fact: Unsere Anmeldeplattform war damals techup.ch (heute: swissdevjobs.ch). Bei dieser Plattform musste man, damit man sich zum GeoBeer #1 anmelden konnte, über einen Twitter-Account verfügen (!). Heute natürlich nicht zweckmässig und undenkbar.
Im (ersten) Blogpost zu diesem frühen Schweizer GIS-Twitter-Netzwerk (das ich später #SwissGIS-Netzwerk benannt habe) habe ich geschrieben: «Stephan Heuel und ich sind beide schon länger auf Twitter. Wir schätzen die schnelle, unkomplizierte Art von Twitter als Plattform zur Kommunikation und zum Austausch von Informationen. Wir beide verfolgen auch zahlreiche GIS-Blogs und Twitter ist die schnellere, interaktivere Ergänzung dazu. Erfreulicherweise sind immer mehr Kolleginnen und Kollegen aus der GIS-Welt auch auf Twitter vertreten.».
Eine Kartierung folgte und in einem zweiten Blogpost eine aktualisierte Analyse. Zum Höhepunkt umfasste die #SwissGIS-Liste auf Twitter 314 Accounts. Sicher: nicht alle davon waren (gleich) aktiv. Das Netzwerk war nun aber so dicht, dass sich eine interaktive Aufbereitung lohnte aufdrängte:
Fest steht: Twitter war während einer Dekade (!) (2010-ish bis 2020-ish) eine unglaublich wertvolle Ressource. Wenn wir nicht hier Blogposts über das an Veranstaltungen Erfahrene und Erlebte schrieben, haben wir häufig zusammen mit anderen Veranstaltungen live getweetet und on- und offline diskutiert und debattiert. Sobald man die entsprechenden Hashtags und allenfalls Accounts kannte, konnte man während Jahren GIS- und andere Veranstaltungen zu digitalen Themen leidlich gut aus der Ferne verfolgen, wenn man nicht vor Ort teilnehmen konnte. Und auch wenn man vor Ort war: Die online in Echtzeit ablaufende Diskussion war häufig eine interessante Ergänzung. 2012 hat Stephan Heuel einen Rückblick auf wichtige Entwicklungen in der Geoinformatik über einige Monate alleine anhand von Tweets gemacht.
Wegen der ausgesprochen niederschwelligen Kultur von Twitter konnte man man mit vielen Personen in Kontakt treten und sich realistische Hoffnung auf einen Austauch auf Augenhöhe mit der Core-Entwicklerin von <hot new thing in geo> oder mit dem CEO von <cool new US-based remote sensing startup> machen. Das war fantastisch. Via Twitter habe ich Bekannte und Freunde in der Geoinformatikbranche in der Schweiz, aber auch zum Beispiel in den USA, in Österreich und in Deutschland gewonnen und meist auch früher oder später «in echt» getroffen.
Die Agorá ist tot …
Heute ist dieses Ökosystem definitiv kaputt. Die Empfehlung zu Twitter (bzw. nun «X» oder tongue-in-cheek «Xitter»), die ich 2018 in einem Vortrag gegenüber KKGEO (heute: KGK) noch ausgesprochen habe, könnte ich schon länger nicht mehr machen.
Ich habe mich von Twitter zurückgezogen und investiere aktuell mehr Zeit in LinkedIn, in den digitalen Austausch im sehr kleinen Kreis und in den persönlichen Austausch im analogen Leben. Das dank Twitter entstandene GeoBeer hat sich auf meinen Vorschlag hin diesen Januar ebenfalls von Twitter verabschiedet und lebt nun auf geobeer.ch und auf LinkedIn (follow recommendation!, wie man andernorts zu sagen pflegte).
Agorás waren aber schon immer ephemer
Rückblickend ist es vielleicht sogar ein wenig erstaunlich, dass Twitter während rund einer Dekade einen guten run hatte. Jetzt ist Zeit und Platz für Neues!
Bei vielen steht LinkedIn (wieder) höher im Kurs. Alas, LinkedIn bzw. <Plattform xyz> ist nicht die oben geschilderte Plattform auf Augenhöhe – jedenfalls nicht auto- und systematisch. Und eine Veranstaltung live «tweeten» würde auf LinkedIn schon gar niemand in Angriff nehmen.
Denn natürlich sind Plattformen viel mehr als ihre jeweiligen feature sets (die sich über die Zeit meist eh immer mehr ähneln): Kultur, Selbstverständnis, «Median-Verwendungszweck», le ton qui fait la musique, Grad der ironischen Brechung vs. «Sales(wo)manship», … – es gibt zahlreiche (X?) Dimensionen, auf denen sich Online-Plattformen voneinander unterscheiden. «Twitter 2.0 dürfte es so nie geben» ist keine gewagte Vorhersage. Oder mit Heraklit: «You never step in the same river twice» (näherungsweise, und im Original wohl nicht in Englisch).
What next?
Omnia mutantur, nihil interit. Das Bedürfnis nach Austausch und Inspiration bleibt bestehen, in meinem Netzwerk definitiv. Welche Möglichkeiten gibt es, um den Durst nach professionellem Austausch zu stillen? – Die Frage ist für mich heute nicht abschliessend beantwortbar und ich mache hier deshalb einen open call.
- Das GeoBeer bleibt erfolgreich und ist für mich die beste Möglichkeit für das Netzwerken zu Geoinformationsthemen in der Schweiz, gerade weil die Kommerzialität weitgehend aussen vor bleibt. Ich empfehle jedem und jeder die Teilnahme an einem GeoBeer (das ja in der Schweiz herumtourt), bin als Teil des OKs diesbezüglich aber natürlich nicht ganz objektiv.
- Mit demselben Caveat: Die GeoUnconference-Reihe zur Diskussion der NGDI (die ich mit Kollegen von EBP und insbesondere mit David Oesch und Stefan Ziegler 2021–2022 konzipieren und vier Mal durchführen durfte) fanden viele ebenfalls wertvoll (siehe Antrag und vor allem die Schlussevaluation).
Das zugehörige Github-Forum fängt aber leider erwartungsgemäss nur einen kleinen Bruchteil der äusserst fruchtbaren Gespräche an den Anlässen selbst ein. Und: Die Reihe war von Beginn weg endlich angelegt. - Medium-bedingt oneway, aber dennoch – finde ich – teilweise interessant: Podcasts zu Fachthemen.
- Blogs (wie der vorliegende) sind eines meiner bevorzugten Gefässe. Leider sehe ich tendenziell immer mehr medium.com-Beiträge hinter Paywall anstelle von RSS-Feeds. Aber ich setze dem offenes Bloggen entgegen. Beiträge in unserem Blog können zwar kommentiert werden. Aber auch hier entspinnt sich sehr selten eine Diskussion.
- Das geowebforum.ch als eines der älteren #SwissGIS-Gefässe mit Interaktionsmöglichkeit (das älteste?) wird aktuell weiterhin betrieben, vollständig moderiert, ist aber fast ein Oneway-Outlet und nicht eine Agorá, auf der Diskussionen gepflegt werden. Die Verteilung der Beitragenden hat einen long tail bzw. ist prononciert rechtsschief (vgl hier und hier). Für mich persönlich ausser für Veranstaltungsankündigungen kein relevantes Gefäss.
- Swisstopo-Kolloquien sind nun immer hybrid und erfreuen sich wohl ziemlich zentral deswegen grosser Teilnehmendenzahlen. Die Möglichkeit, online teilzunehmen ist sehr praktisch. Aber der Austausch im direkten Kontakt ist für die, die nicht in Wabern sind, natürlich nicht möglich.
- Die teilweise vorhandenen und teilweise öffentlichen kantonalen Veranstaltungen sind auch noch zu nennen: Zum Beispiel das GeoForum in Basel-Stadt oder – nicht eng geoinformationsbezogen aber ebenfalls sehr gut – der Daten-Dialog an selber Stelle. Die interkantonalen Veranstaltungen der KGK sind meines Wissens nie öffentlich.
Die diversen anderen Foren und interaktiven Angebote, darunter zum Beispiel die in meinen Augen sehr positiv zu wertende Discourse-Gruppe zu Interlis-Themen, bleiben vorerst eine weiter expandierende Galaxie disjunkter Kristallisationspunkte für den thematisch meist recht engen Austausch Gleichgesinnter.
Zentripetalkräfte?
Gestern haben KOGIS und KGK bzw. die SGS-Gremien das (clever! – mindestens dreisprachig verständliche) www.geoinformation.ch lanciert. Ich freue mich sehr darüber und hoffe, dass an diesem Ort viel Bestehendes zusammengezogen werden wird. Vielleicht richten wir auch ein (1) modernes und lebendiges Forum für Diskussionen, Knowhow-Austausch und Wissensmanagement in der Branche ein? Vielleicht konzipieren wir, falls Interesse da ist, eine Veranstaltungsreihe für die strategische Weiterentwicklung auf Augenhöhe?
Ich poste diesen Text aus dem Zug von Zürich nach Olten. Denn ich reise heute an den grössten Anlass der Schweizer Geoinformationsbranche, den GEOSummit a.k.a. das «Klassentreffen» des Geo-Sektors. Ich freue mich sehr auf den sicher lebendigen Austausch mit allen Akteuren, private oder public sector. Und ich bin echt gespannt, wie wir uns in ein, zwei, … fünf Jahren vernetzen und weiterbilden werden.
Ich und der Rest von EBP Informatik sind weiterhin offen für den Austausch und das wechselseitige Lernen. Ich habe zum Beispiel kürzlich meinen Kalender nach aussen geöffnet: Jede und jeder kann ein halbstündiges #Kaffeegespräch zu ausgewählten Themen mit mir direkt buchen. No strings attached und bisher war’s immer toll. Ich habe noch einige weitere Ideen zum offenen Austausch. Du vielleicht auch? – Würde mich freuen, wenn Du mich dieser Tage darauf ansprichst oder -schreibst.
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