Gestern habe ich seit langem wieder mal eine GIS Day-Veranstaltung besucht und zwar in Zürich. Es wurde ein Nachmittag voller interessanter Einblicke in Werdegänge im GIS-Umfeld, Diskussionen zur persönlichen Entwicklung und vielen Gelegenheiten zum Austausch und Netzwerken.
Der Anlass wurde organisiert durch Adriana Kissling, Andreas Reimers (beide Stadt Zürich), Christian Sailer (ETHZ) und Philippe Lebert (Philippe Lebert GmbH). Adriana und Philippe haben als Moderatorenteam durch den Anlass geführt.
Der internationale GIS Day stand unter dem Motto «Mapping Minds, Shaping the World»: This year’s theme highlights how geographic information system (GIS) technology has changed the way we understand, navigate, and shape our world. Together, human creativity and technology help us discover hidden trends, spur sustainable growth, and make smarter decisions.
Der GIS Day Zürich hat seinen Fokus auf die Vielfältigkeit von Karrieren in der GIS-Branche gelegt. Die Referentinnen und Referenten habe dazu sehr offen von ihren Wegen, Umwegen und Erfahrungen berichtet. Alle Vortragsfolien können auf der Website des GIS Day 2024 Zürich abgerufen werden.
Was ist der GIS Day?
Der GIS Day ist eine Veranstaltungsreihe, die bereits 1999 ins Leben gerufen wurde. Er findet jeweils am dritten Mittwoch im November statt und widmet sich Geografischen Informationssystemen (GIS). Es steht allen Interessierten offen, eine Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Esri führt jeweils eine Zusammenstellung über GIS Day-Veranstaltungen weltweit.
Per aspera ad… ikigai
Eröffnet wurde das Programm mit einer Keynote von Daniel Isler, einem Unternehmer mit jahrelanger Erfahrung in den Themen «digitale Transformation» und «Organisationsentwicklung». Ausgehend von drei Leidenschaften seiner Jugendzeit hat Daniel seine Karriere reflektiert und uns mit dem aus Japan stammenden Konzept des Ikigai («Lebenssinn») bekanntgemacht. Ikigai beschreibt die Sinnsuche und die innere Zufriedenheit, die sich dabei im Idealfall einstellen kann. Daniel zeigte uns ein Modell (das mir noch nicht bekannt war), um vor dem Hintergrund von Ikigai die eigene Tätigkeit zu reflektieren. Dies geschieht anhand der 4 Sphären:
Im Optimalfall nähert man sich über die Zeit der Mitte an. Eine ehrliche Analyse des eigenen Standorts im Modell kann aufzeigen, wenn man in eine metaphorische Sackgasse läuft und am besten eine Veränderung anstreben sollte.
Nugget aus Daniels Vortrag: Natürlich das Konzept des Ikigai und die augenzwinkende Bewertung «Er war ein so guter Verkäufer, er konnte dem Papst ein Doppelbett verkaufen.»
Die Superkräfte von GIS-Fachleuten
Im nächsten Beitrag hat Ramona Allemann, Gründerin von GEONOX, einen Einblick gegeben, wie sie Remote Sensing und GIS nutzt, um sich für die Umwelt einzusetzen. Ein Tätigkeitsgebiet ist die Rettung und Wiederherstellung von Mangrovenwäldern, die für gewisse Tiere ein sehr wichtiges Ökosystem und für Küsten einen wichtigen Schutz vor Erosion darstellen.
Ramona postulierte, dass die Anwesenden Superkräfte haben, unter anderem: das Rein- und Rauszoomen (im übertragenen Sinn) sowie das Erkennen und Interpretieren von Mustern. In ihrer Vision formulierte sie den Wunsch, dass GIS und die damit erworbenen Fähigkeiten noch breiter auch in angrenzende Domänen – im Beispiel: die Biologie – eingehen mögen und dass wir noch stärker interdisziplinär arbeiten.
Nugget aus Ramonas Vortrag: Ihre Begeisterung für ihre Themen und «Wusstet Ihr, dass Meer- und Süsswasserfische denselben Salzgehalt im Körper haben? Die einen müssen übermässiges Salz über die Kiemen ausscheiden, um ins Gleichgewicht zu kommen, die anderen müssen ausreichend Salz aufnehmen.»
Finanzdaten mit Raumbezug
Lorenz Dolder zeigte in seinem Vortrag sehr schön seine professionellen Stationen auf (Universität Zürich, Esri, Migros Genossenschafts-Bund, MSCI), was jede Station speziell gemacht und was er von jedem Ort «mitnehmen» konnte. Und auch, wie der jeweilige Arbeitgeber und Lorenz‘ Tätigkeit in seinem Umfeld jeweils wahrgenommen wurde.
Unterdessen sammelt und analysiert Lorenz bei MSCI hauptsächlich Finanzdaten, die aber auch einen räumlichen Fussabdruck haben (können). Er zeigte dann einige interessante Einblicke, wofür und wie MSCI solche Daten verarbeitet und analysiert, und auch, wie für einzelne Schritte bereits maschinelles Lernen bzw. «künstliche Intelligenz» eingesetzt werden. Letzeres beispielsweise für die Extraktion von strukturierten aus unstrukturierten oder gering strukturierten Daten oder jüngst in einem Chatbot für die Beantwortung von gewissen Daten-Abfragen.
Nugget aus Lorenz‘ Vortrag: «Jede GIS-Fachperson muss den Mehrwert von GIS überzeugend kommunizieren und aktiv ‹verkaufen› können.»
Problemlösungskompetenz, Lernfähigkeit und Eigeninitiative
Im nächsten Vortrag berichtete Christine Früh, Stadtgeometerin und Verantwortliche für die GIS-Infrastruktur der Stadt Bern, humorvoll von ihrem abwechslungsreichen und spannenden Werdegang: Von der Inspiration, schon im Schulalter mal «Geometerin» als künftigen Beruf zu notieren über die Studienwahl bis hin zur anhaltenden Schwierigkeit, die eigene Tätigkeit in ein Wort fassen zu können. «Kulturingenieurin» ergibt beim Publikum Verwirrung, «GIS» natürlich ebenso. «Chefin» funktioniert, bleibt aber natürlich sehr abstrakt 🙂
Christine betonte eindrücklich die Wichtigkeit des Zuhörens, des Die-richtigen-Fragen-Stellens, des Verfolgens von zwischenzeitlich auch herausfordernden Wegen sowie des vernetzten Denkens für ihren Beruf bzw. generell für das erfolgreiche Wirken in und mit GIS.
Nugget aus Christines Vortrag: Ein neues städtisches Geoportal einzuführen bringt natürlich ganz konkreten Nutzen. Sehr wichtige, quasi nebenbei erarbeitete Mehrwerte sind aber die bessere Vernetzung mit anderen Organisationen und Personen, das vertiefte Verständnis füreinander und schliesslich die dazugewonnene Sichtbarkeit für Geoinformationen.
Karten, aber immer abstrakter
Schliesslich sprach Marco Crisafulli über seinen Werdegang. Unterdessen hat er mit der enki GmbH eine Machine Learning-Firma mitgegründet. In seinem mit viel Witz gesprenkelten Vortrag hat auch er seine beruflichen Stationen erläutert. Diese haben ihn vom ganz konkreten Arbeiten mit Karten und Geodaten (als Geomatiker) über mehrere Abstraktionsschritte (mit Stationen bei Hexagon und Avobis) immer weiter weggeführt von «geo». Heute begegnen Geodaten Marco nur noch selten; aber mit Machine Learning entstehen natürlich auch in «geo» spannende Anwendungsmöglichkeiten. Marco hat dazu konkret das Beispiel einer Segmentierung von Karteninhalten gezeigt.
Nugget aus Marcos Vortrag: «Wir sprechen lieber von Machine Learning. ‹Künstliche Intelligenz› ist momentan zu ‹hipey›.»
Nach den Vorträgen haben sich alle Referentinnen und Referenten auf dem Podium den Fragen des Publikums gestellt, bevor der GIS Day zum Apéro – mit viel Gelegenheit zum Netzwerken – übergegangen ist.
Nobody is an island
Für mich war der GIS Day 2024 sehr abwechslungsreich und inspirierend. Die Vortragenden haben ganz verschiedene Wege zurückgelegt und auch unterschiedlich engen Bezug zur Geoinformation: Daniel gar nicht, einige über die Karriere immer mehr, einige genau umgekehrt. Allen gemeinsam schien aber Veränderung und Adaption. Alle haben sehr persönlich aus ihrer Karriere berichtet und so in der Summe einen sehr guten Überblick darüber gegeben, «was möglich ist».
Zentrale Erkenntnis (oder Erinnerung) für mich: No[body] is an island.
Ich habe darüber ebenfalls nachgedacht, gegen Ende meines Vortrags vor ein paar Wochen: Wir lernen und arbeiten in einem Kontext und in einem Netz von persönlichen Beziehungen, die uns prägen und – im Idealfall – Möglichkeiten eröffnen. Das zusammen mit anderen nochmals zu reflektieren – auch mit Einsteigerinnen und Einsteigern, denen das vielleicht (noch) nicht so bewusst ist (?) – war toll.
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