Im ersten und zweiten Teil dieser Mini-Blogserie habe ich gezeigt, woher GNSS-Daten (umgangssprachlich GPS-Daten) stammen und wie sich diese in spezialisierten Tracking-Studien gezielt erfassen lassen. Im heutigen und letzten Teil widmen wir uns nun einer Anwendung, die den Nutzen solcher Daten greifbar macht. Ich zeige, wie sich der Einfluss von Hitze auf fussläufige Erreichbarkeiten quantifizieren lässt und was das für die Stadtplanung bedeutet.
It’s gettin hot in here
Es wird heiss. Gefährlich heiss. Was einen Grossteil der globalen Politik und Wirtschaftseliten nicht zu interessieren scheint, wird für uns im Alltag zur schleichenden Einschränkung der Lebensqualität, und in Extremfällen gar zur Lebensgefahr. Das globale Klima erwärmt sich kontinuierlich, und unsere Städte heizen sich hierbei durch den sogenannten Urban-Heat-Island-Effekt besonders auf.
Für die Stadtplanung stellt sich damit eine Kernfrage: Wie lassen sich Städte in einem immer heisseren Klima lebenswert gestalten? Die Antwort ist komplex und vielschichtig. Sie reicht von Materialwahl und Begrünung über Verkehrslenkung bis zu Frischluftkorridoren. Doch wie so oft gilt: Ohne belastbare Daten keine fundierten Entscheidungen. Wie GNSS-Daten entsprechend genutzt werden können, haben Kollegen und ich in der ETH-Studie Geographic Information System-Based Model of Outdoor Thermal Comfort: Case Study for Zurich gezeigt.
Erreichbarkeit als zentrales Planungsinstrument
In der Verkehrs- und Stadtplanung ist Erreichbarkeit ein Schlüsselkonzept: Wie weit komme ich von einem Punkt X innerhalb von 5, 10 oder 15 Minuten zu Fuss, mit dem Velo, per ÖV oder Auto? Solche Analysen werden meist als Isochronen (siehe hierzu unser Walkalytics Tool) dargestellt. Diese sind Flächen auf einer Karte, die die maximal erreichbare Distanz in einer gegebenen Zeit visualisieren. Bisher wird Erreichbarkeit fast ausschliesslich auf Basis von Wegenetz, Reisegeschwindigkeit und (gelegentlich) Höhenunterschieden berechnet. Mikroklimatische Einflüsse wie Hitze oder Kälte bleiben meist aussen vor.
Mikroklima und thermischer Komfort
Unter Mikroklima versteht man die spezifischen klimatischen Bedingungen an einem bestimmten Ort, beeinflusst durch Faktoren wie Bebauungsdichte, Vegetationsanteil, Oberflächenmaterialien und topografische Gegebenheiten (zum Beispiel auf einer bestimmten Brücke oder in einem Park). Um das Wärmeempfinden einer Person unter solchen Bedingungen zu bewerten, kommen etablierte Kennzahlen wie der Universal Thermal Climate Index (UTCI) oder der Outdoor Thermal Comfort (OTC)-Index zum Einsatz. Beide Indizes verdichten verschiedene meteorologische Grössen, etwa Lufttemperatur, relative Luftfeuchtigkeit, Windgeschwindigkeit sowie Strahlungsbilanz, zu einem einzigen Wert. Dieser beschreibt den Grad der thermischen Belastung für den menschlichen Körper und wird in verschiedene Komfort- bzw. Belastungsklassen eingeordnet.
Korrigierte Erreichbarkeiten
In der Studie wurden GNSS-Bewegungsdaten aus realen Fusswegen mit hochaufgelösten mikroklimatischen Simulationen verknüpft. So lässt sich für jede beobachtete Route und für einen bestimmten Tag und Uhrzeit berechnen, wie stark der menschliche Körper thermisch belastet wird. Der Übergang in den Zustand „unangenehm“ ist dabei als jener Moment definiert, ab dem der Körper aktiv zu schwitzen beginnt. Dieser Schwellenwert wird mithilfe eines Thermoregulationsmodells bestimmt, das die physiologischen Reaktionen des Körpers unter den jeweiligen Mikroklimabedingungen simuliert.
Auf dieser Grundlage lassen sich klassische Geh-Erreichbarkeiten skalieren. Das Ergebnis ist eine korrigierte Erreichbarkeitskarte, die deutlich macht, wie stark Hitze den tatsächlich komfortabel erreichbaren Raum einschränkt.

Abbildung 1 zeigt exemplarisch die fussläufige Erreichbarkeit rund um die Bäckeranlage in Zürich. Unter heutigen (2023) klimatischen Bedingungen sind die Einbussen noch moderat (kaum Unterschied zwischen Gelb und Grün). Für zukünftigen Klimaszenarien wurden die RCP-Szenarien des IPCC herangezogen (Rot und Orange). Hier schrumpfen die komfortablen Geh-Distanzen deutlich, insbesondere in stark versiegelten, wenig beschatteten Quartieren. Wege, die heute noch problemlos zu bewältigen sind, werden an künftigen heissen Sommertagen als erheblich anstrengender empfunden.
Anwendungsfelder in Planung und Gestaltung
Die praktische Relevanz solcher Ansätze ist immens, künftig sogar überlebenswichtig. Sie ermöglichen eine gezielte Massnahmenplanung, etwa durch die Identifikation von Hitze-Hotspots, in denen zusätzliche Bäume, Wasserflächen oder helle Oberflächenmaterialien besonders wirksam wären. In der Verkehrsplanung lassen sich Klimaanpassungsaspekte integrieren, beispielsweise durch die Berücksichtigung thermischen Komforts in ÖV-Zugangsstudien, bei der Planung sicherer Schulwege oder in Fussgängerleitsystemen. Darüber hinaus leisten solche Analysen einen wichtigen Beitrag zur Bewusstseinsbildung, da Visualisierungen den Einfluss von Hitze auf die Alltagsmobilität für Politik, Verwaltung und Öffentlichkeit anschaulich und nachvollziehbar machen.
Interessieren Sie sich für hitze-adaptierte Planung Ihrer Stadt oder Region?
Wir verfügen über das nötige Know-how, um die passende Klimaanpassungsstrategie für Sie zu entwickeln: von der Datenerhebung über die Analyse bis zur Umsetzung. Und bis dahin: kühlen Kopf bewahren!