Unter diesen Titel habe ich meinen Vortrag im Rahmen des GEOSummit-Webinars vom 15.10.2024 gestellt. Ich war angefragt worden, mich zum Zustand der Schweizer Geoinformationslandschaft zu äussern und zu überlegen, wo es bezüglich Bereitstellung und Verteilung von Geoinformationen heute noch harzt und worin allfällige Lösungen bestehen könnten.
Das GEOSummit-Webinar funktionierte wie alle Webinare in diesem Rahmen ohne Aufzeichnung. Mehr als 170 Personen hatten sich ursprünglich angemeldet. Es waren dann etwas über 110 Personen effektiv im Webinar zugeschaltet. Da ich mir meine Folien — und vor allem: Gedanken — sowieso schon gemacht hatte, investiere ich hier noch etwas Zeit, um das Vorgetragene (genau genommen: Teile des Vorgetragenen) nochmals zu zeigen.
Sämtliche Folien sind hier auch als PDF beziehbar.
Here goes:

Vorweg ist anzumerken: Die Schweizer Geoinformation funktioniert ja grundsätzlich für viele Klassen von Nutzenden gut. Wenn wir klagen, tun wir das meist auf hohem Niveau. Im Kern der Schweizer Geoinformation stehen amtliche Geodaten. Vielleicht Segen und Fluch für die Stellen, die diese Daten bereitstellen.
Einige aus meiner Sicht positive Punkte der letzten paar Jahre:
- Viele Geodaten sind heute meist gut verfügbar und das in der Regel in guter Qualität.
- Die Kantone bieten ihre Daten unter anderem gebündelt via geodienste.ch an.
- Es gab das Gefäss der Zweckgebundenen NGDI-Mittel für Projekte im Kontext der Nationalen Geodateninfrastruktur (NGDI). Wir konnten daraus die Durchführung von vier GeoUnconferences in 2021 und 2022 finanzieren. Dort wurde unter anderem auch über David Oeschs Idee des GeoHarvesters diskutiert, die im Vortrag vor meinem Vortrag Thema war.
- Mit der Strategie Geoinformation Schweiz (SGS) haben Bund und Kantone neue Gefässe der Zusammenarbeit etabliert.
- Strukturiert ist diese mit Aktionsplänen und Massnahmen.
Aber generell gilt bezüglich Geoinformation: Wir können noch besser werden.
Ein Freund von mir pflegt, gross scheinende Probleme an ihren Platz zu rücken mit dem Satz «No one’s dying, no one’s losing money.» Der erste Teil dürfte Gültigkeit haben. Ich glaube aber schon, dass wir durch Ineffizienzen teilweise Geld verlieren. Erschwerend kommt hinzu, dass «die Schweizer Geoinformation» viele Komponenten und Akteure hat und dass der «Pain» oft nicht dort auftritt, wo der «Fix» wäre.

Fokus der Veranstaltung bzw. der Einladung, die an mich herangetragen wurde, waren die «Förderbereiche». Sprich: Wo hapert’s heute?

In den folgenden Ausführungen konzentriere ich mich weitgehend auf die Perspektive meiner Kollegin im mittleren Bild. Als professionelle GIS-Nutzerin verwendet sie Geoinformationen vor allem für Analysen. Nicht im Fokus stehen die sprichwörtlichen Herr und Frau Tout-le-Monde, die Geoinformationen zum Beispiel unterwegs in einer App nutzen oder jemand, der vielleicht mal eine Wanderung plant oder Jagdbanngebiete nachschaut.

Wo sehe ich heute Verbesserungsmöglichkeiten in der Auffindbarkeit und Nutzbarkeit von Geoinformationen?
— Hier:

Nicht alle diese Probleme und Herausforderungen sind gleichermassen (ge)wichtig. Einige, die ich speziell relevant finde:
- Die schlechte Auffindbarkeit von Geodaten und -diensten mit «normalen» Web-Werkzeugen (noch Google, eventuell bald KI…?) ist sehr störend. Es fühlt sich heute wie Zufall an, wo man landet.
- Die noch nicht gute Umsetzung von «Once Only» bzw. die mehrfache Erfassung von Daten
- Heterogenität in den Daten und in den Nutzungsbedingungen
- Ebenfalls verbesserungswürdig ist generell das Tooling:
- beispielsweise im Interlis-Bereich (wo es aber aktuell zumindest teilweise angepackt wird)
- aber auch zum Beispiel beim guten Support von neueren Datenformaten oder Paradigmen wie STAC in GIS-Programmen
Ich finde all die Punkte oben aber gar nicht sooo interessant. Bzw. schon, aber ihre Behandlung passt nicht gut in diesen (oder irgendeinen) Vortrag. Man kann in die einzelnen Punkte tief eintauchen und darob auch schnell den Fokus verlieren.

Stattdessen möchte ich herauszoomen und grössere Themen anschauen, denen ich in den letzten Monaten begegnet bin oder die mich schon länger beschäftigen. Ich glaube, alle oben aufgeführten Defizite lassen sich (sehr) gut lösen, wenn wir die grossen Punkte richtig setzen. Ich möchte deshalb auf diese fünf Themen eingehen:

1. Zugangsmodi zu Daten
Wo finde ich denn heute Geodaten? Mir scheint, es gibt drei Zugangsmodi. Den ersten kennen wir alle: die *GDIs. Mit Stern. Das kann die des Bundes sein (BGDI), eine kantonale GDI (KGDI) oder eine kommunale (GGDI?), regionale GDIs (ja, gibt’s) oder eine private GDI, etc. In dieser Kategorie von Portalen ist der Zugang bezogen auf den Datentyp «Geodaten». Heisst: Ich finde Geodaten und nur Geodaten. Im Bild als Beispiel etwa via den STAC-Browser der BGDI:

Der zweite Zugangsmodus ist sektoriell (oder vertikal bzw. in «Verticals»). Hier gilt: Ich finde Daten zum Sektor x und nur zum Sektor x. Dieses Konzept begegnet mir häufiger im erweiterten Umfeld des Programms «Nationale Datenbewirtschaftung» (NaDB) und ist auch angelegt im Konzept des «Datenraums». Im Beispiel unten sieht man die Mobilitätsdateninfrastruktur MODI. Diese umfasst einerseits die NADIM. Dort drin finden sich zum Beispiel Daten zur Kundschaft des Mobilitätssektors sowie Transaktionsdaten zum Beispiel zu Billettverkäufen im ÖV. Unterhalb der NADIM, in blau, sehen Sie den Sockel mit den Geodaten des «Verkehrsnetz CH» (Vn-CH). In der Darstellung des BAV ist dieses bezeichnet als «Nationale Geodateninfrastruktur Mobilität». Also «NGDIM»? Das dürfte wie für mich für viele der erste Kontakt mit diesem Kürzel sein…?

Der dritte Zugangsmodus wird repräsentiert etwa durch opendata.swiss. Dieser Zugang ist spezifisch bezüglich der Nutzungsbedingungen der angebotenen Daten: Ich finde offene Daten und nur offene Daten.
Gut, der letzte Punkt stimmt streng genommen nicht: opendata.swiss hat immer noch zwei Nutzungsbedingungen (vulgo: «Lizenzen») in petto, die nicht konform sind mit der Open Definition — aber das ist ein anderer Vortrag.

Also: drei Zugangsmodi.
Aber vielleicht kennen Sie opentransportdata.swiss? Dort gibt es offene Daten für ein Vertical, nämlich die Mobilität…?

Falls also, wie man mit opentransportdata.swiss sieht, Permutationen der drei Zugänge möglich sind:
- datentypbezogener Zugang (z.B. Geodaten / Nicht-Geodaten)
- sektorieller Zugang (Daten zu Mobilität, Tourismus, Gesundheit, …)
- nutzungsbedingungsbezogener Zugang (Open Data / nicht Open Data)
Falls also solche Permutationen möglich sind… — Enden wir dann bei mehreren Dutzend verschiedenen Datenportalen…? (nur für die nationale Ebene gerechnet).
Oder wird (soll) sich ein Zugangsmodus durchsetzen? Oder ist alles dandy, wenn mehrere / x Zugänge parallel existieren und dieselben Daten (oder sind es eventuell nur ähnliche?) anbieten? Falls sich ein Zugangsmodus durchsetzt: Welcher wird es? Ich kann diese Frage noch nicht beantworten, aber sie dreht mir im Kopf.

2. «Die Schweizer Geoinformation», an und für sich
2021 und 2022 haben wir vier GeoUnconferences organisiert. In diesen öffentlichen Veranstaltungen ging es darum, Verbesserungen für die Nationale Geodateninfrastruktur (NGDI) zusammenzutragen bzw. zu konzipieren. Eine Gruppe hatte die Idee, mal «nur» schon die NGDI zu kartieren. Vier, fünf Personen haben anhand der untenstehenden Grafik von e-geo.ch Komponenten der NGDI gesammelt.

Es sind dann daraus diverse Visualisierungen entstanden, darunter auch dieser Sunburst Plot von Nils Ratnaweera. Der grüne Schnitz links unten bildet technische Infrastrukturen ab, typischerweise jeweils mit je einer URL. Der violette Anteil zeigt die e-geo-Kategorie «Grundlegende Geodienste». Auch hier figurieren viele URLs und individuelle Webseiten.

Ein Grund dafür, dass die NGDI heute so vielteilig daherkommt, ist in der arbeitsteiligen Bereitstellung von Geodaten im föderalistischen Schweizer System zu finden. Man kann Geobasisdaten nach Bastian Graeff ja anhand der rechtssetzenden sowie der jeweils zuständigen föderalen Ebene klassieren:

Diese Organisation mit teilweise verschränkten Rechts- und Zuständigkeitsebenen kann man gut finden oder nicht. Das ist gar nicht der Punkt. Unbestritten scheint mir, dass sie einiges an Komplexität mit sich bringt.
Unten sind einige Webseiten gezeigt, auf denen man sich finden kann, wenn man per Google et al. nach Schweizer Geodaten sucht. Alle kennen map.geo.admin.ch, vulgo «mapgeoadmin», bzw. (mit dem kanonischen Namen) den BGDI-Viewer links oben. Daneben gibt es den generellen Auftritt von geo.admin.ch («Das Geoportal des Bundes»). Das Datenrepository data.geo.admin.ch, den STAC-Browser der BGDI, diverse Fachportale zu den Geodaten einzelner Bundesstellen, geocat.ch, geobasisdaten.ch (wo ich vielleicht hoffe, Geobasisdaten zu finden, aber tatsächlich natürlich primär Rechtsgrundlagen von Geobasisdaten nachschauen kann), geodienste.ch von KGK-CGC bzw. den Kantonen, vielleicht lande ich auch auf geostandards.ch, vielleicht auf I14Y (Englisch: «i-fourteen-y», steht für «Interoperability»), opendata.swiss, opentransportdata.swiss usw. usf. dda.

Stand heute ist es ein Stück weit Zufall, wo in der Gesamtheit der NGDI eine interessierte Person nach einer Google-o.ä.-Suche nach Geodaten und Ähnlichem landet. Das kann frustrieren.
User’s Voice: Justin Meyers recherchiert und prozessiert für seine Auftraggeber Geodaten auf der ganzen Welt. Als er sich letzten Herbst mit Schweizer Geodaten auseinandergesetzt hat, hat er sich mit etwas Sarkasmus wie folgt geäussert:

Die gute Nachricht: Im Gefäss von SGS wird diese Situation adressiert mit dem Aktionsfeld 7, der Weiterentwicklung digitaler Plattformen. Im Aktionsplan 2024 ist in diesem Aktionsfeld eine Massnahme vorgesehen. Und seit einigen Monaten steht diesbezüglich eine Kooperation der Entwicklungsteams der BGDI, von geocat.ch und von geodienste.ch, die diese drei Elemente der NGDI näher zusammen bringen soll.

3. Verwandte (?) Disziplinen
Vor einigen Monaten wurde das GEOWebforum neu lanciert. Neu auf der modernen Discourse-Plattform. Übrigens ist das neben dem Forum der Interlis-Anwender:innen [Schweiz] (Namensvorschlag: «ILIAS»), das zweite – leider das zweite! – Discourse-Forum unserer Branche. Vielleicht gehen die beiden – in ein paar Jahren…? – zusammen?
Jedenfalls: Im neuen GEOWebforum (sic) fand sich sehr bald dieser Eintrag: «Es heisst ‹GEOWebforum› – nicht ‹Geowebforum›!»

Das rührt natürlich vom ebenfalls von der SOGI organisierten «GEOSummit» her, wie ja auch die Webinar-Reihe benannt ist, in der ich diesen Vortrag gehalten habe:

Mir ist klar: Das ist eine Art Branding. Eine Wortmarke. Ein Trademark™.
Dennoch hat mich das nachdenklich gemacht, weshalb wir dieses «GEO» offenbar so gerne betonen. Sollten (Werden) wir auch «GEOBasisdaten», «GEOInformationen» und «GEODateninfrastruktur» sagen?

Kürzlich war ich in einem Gespräch mit Koryphäen der Geoinformationsbranche. Eine Person sagte:

Und ich verstehe, worauf man die Aussage abstellen kann (finde sie aber doch viel zu steil). Mit und ausgehend von der Bundesgesetzgebung über Geoinformation (GeoIG, GeoIV, etc.) hat man in den Nullerjahren einige Punkte früh gut und fast visionär festgelegt. Datenmodelle, Schnittstellen, modellbasierter Datenaustausch und einiges mehr. Unter anderem deshalb war «die Geoinformation» meines Erachtens ein guter – und einfacher – Partner bzw. «Kunde» für Open-Data-Fachstellen: Im Gegensatz zu anderen Verwaltungsbereichen war vieles schon (in der Tat: gut) geregelt.
Item. Die zweite Person im Gespräch hat dann erwidert: «Nein, 30 [Jahre].»

Bei aller Liebe zu unserer Branche und mit Verlaub: Das klingt für mich nach Hochmut. Wir sollten nicht versucht sein, uns auf dem Erreichten auszuruhen. In dieser und anderen Diskussionen erinnere ich mich manchmal an dieses Mantra:

Spatial is special: Die Überzeugung, dass der Umgang mit Geodaten in jedem Fall ein ganz spezielles Skillset, ganz spezielle Werkzeuge, ganz spezielle Infrastrukturen und vieles mehr voraussetzt. Das wiederum hat vielleicht eine Verbindung zum anderen Mantra unserer Branche: «80% aller Daten sind Geodaten / … haben einen Raumbezug.» Es kommt noch etwas darauf an, wie man «geo» oder «Raumbezug» genau definiert (Reicht eine PLZ, ein Toponym oder braucht es Koordinaten?), aber ich habe eine interessante Analyse von sehr grossen offenen Datenbeständen gefunden (siehe unten) und … vielleicht ein Drittel, maximal die Hälfte der Daten kann man mit einer gewissen Berechtigung «räumliche Daten» nennen:

Spatial is special, in gewisser Hinsicht:
- Das sieht man schon daran, wenn Beginnerinnen und Beginner Schwierigkeiten mit Koordinatensystemen und geodätischen Daten bekunden.
- Auch räumliche Autokorrelation ist eine spezielle Eigenschaft von Geodaten (die man sich so ähnlich aber auch zum Beispiel für Zeitreihendaten denken kann).
- Diese Eigenschaft ermöglicht und erzwingt wiederum manche speziellen statistischen und Analyse-Werkzeuge.
- Und schliesslich: Die Kartographie ist sicher eine spezielle Form der Datenvisualisierung, granted.

Obige Liste ist nicht abschliessend. Es gibt sicher noch valide weitere Punkte, die «spatial» special machen. Aber die Liste wird nicht mehrere Dutzend Punkte umfassen. Ich glaube: Spatial sollte nicht sooo speziell sein, wie es in der Vergangenheit behandelt wurde – und teilweise noch wird:

Diese Einsicht reift schon an verschiedenen Orten in der Schweiz. Mir sticht diesbezüglich insbesondere der Nordwesten ins Auge: Basel-Stadt hat sich letztes Jahr eine gesamtheitliche Datenstrategie gegeben mit diesen fünf Säulen rechts und den Leitsätzen links. Im Boot waren u.a. «die Statistik» und «die Geoinformation». Die Strategie gilt denn auch für alle Daten in Basel-Stadt, «geo» oder nicht. Wenn man sich die Eckpunkte anschaut: Datenkatalog, Datenwissenschaft (vulgo: Data Science), Regulation, wechselseitig abgestimmte Architektur, Infrastruktur und Organisation, … Das passt alles – auch aus «geo»-Sicht – bestens, finde ich.

Dieses Jahr hat dann das Baselbiet ebenfalls eine gesamtheitliche Datenstrategie verfasst. Sie sehen schon am Diagramm unten nochmals: Kartographie ist eine Spielart von Datenvisualisierung. Basel-Landschaft setzt «Once only», «Open by Default» und Data Governance als (wie ich finde: sinnvolle) Eckpfeiler. Die Strategie benennt auch ein direktionsübergreifendes «Kompetenzteam Datenmanagement». Es «bündelt das Datenwissen … der Verwaltung optimal» und ist zusammengesetzt aus Fachstellen des Amts für Daten und Statistik und des Amts für Geoinformation.

Bestimmt: Ohne Reibung und initiale «Investitionen» sind solche übergreifenden Kooperationen nicht. Ich bin aber überzeugt: Wenn wir solche Brücken bauen, können wir profitieren.
Beispielsweise ist das oben angesprochene «Once only»-Prinzip nicht der Geoinformation entsprungen, sondern wurde ganz allgemein in der Tallinn Declaration on eGovernment postuliert. Wir könnten in unserer Branche dieses Prinzip, dass ein Datum möglichst nur einmal erhoben und dann x-fach genutzt wird*, konsequenter umsetzen: Es gibt diverse Objekte und Phänomene, die wir heute mehrfach und wiederholt erfassen. Wir könnten also von diesem «geo»-extern formulierten Prinzip profitieren und Ineffizienzen abbauen.
* Das ist im Kern «once only», nicht – eine häufige Verwechslung – die zwingende Vermeidung von redundanter Datenhaltung.

Zweites Beispiel: Wir können in der Geoinformation von anderen profitieren bei der Entwicklung des Cloud-Native-Paradigmas etwa im Bereich der Daten. Cloud-native Formate existieren unterdessen für Nicht-Geodaten und bekanntlich auch für Geodaten. Mit ihnen können Daten über das Web performant bezogen werden. Wenn ich einen cloud-native Datensatz verwende, sehe ich serverseitig zahlreiche 206er HTTP Status Codes. Heisst: Es wird dank sogenannter HTTP Range Requests auf eine intern clever strukturierte Datei jeweils nur der relevante Teil der gesamten Datei gelesen und übermittelt.

Als konkretes Beispiel habe ich aus SWISSIMAGE-Daten ein Cloud-Optimized GeoTIFF des Kantons Thurgau mit 10 cm Auflösung (!) erstellt. Diese eine TIFF-Datei ist 15 Gigabyte (!!) gross. Die Datei kann zum Beispiel in einem einfachen Map-Client geladen und benutzt werden (oder auch in einem GIS). Das TIFF liegt bei meinem privaten Hoster, ohne speziell performantes Caching und es ist kein WMS, WMTS oder eine spezielle Geoserver-Komponente dazwischengeschaltet. Wie man im Film sehen kann, ist die Performance dennoch leidlich gut. Sicher gut genug für bestimmte Zwecke. Poor Pragmatic person’s geoservice für manche Anwendungsfälle?

Übrigens: Kürzlich wurde das cloud-native Paradigma ganz pragmatisch im Rapid Mapping des Bundes infolge der Unwetter im Wallis und im Tessin operativ verwendet:

Neben diesen Beispielen, in denen unsere Branche gute Ideen übernommen hat, gibt es natürlich auch die Gegenrichtung: Wo unsere Branche andere inspirieren und unterstützen kann oder könnte.
In der letzten Zeit häufen sich die Vorfälle, in denen Behörden diverser Staatsebenen Wahl- oder Abstimmungsergebnisse fehlerhaft übermitteln oder verarbeiten. Es ist zum Beispiel interessant, die Administrativuntersuchung zum Fehler bei der Ermittlung der Parteistärken bei den Nationalratswahlen vom Herbst 2023 zu lesen: Heterogene Formate und Kanäle für die Datenübermittlung, in einem Format und Kanal ein «flaches», denormalisiertes Datenmodell und schliesslich die unglückliche Verarbeitung dieser Daten in einem Analyseskript. Vielleicht stärker als die involvierten Stellen hat die Geoinformation unterdessen viele Jahre Erfahrung bei der zweckmässigen Datenmodellierung, bei der modellbasierten Übermittlung und Validierung von Daten sowie bezüglich Datenflüssen und der Zusammenarbeit über alle Staatsebenen hinweg!

4. Unsere Community

Ich habe es eingangs gesagt. Ein Grundsatzproblem, dem ich oft begegne, ist: Der «Pain» ist oft nicht beim «Fix». Die Stelle oder Person, die etwas als mühsam oder falsch empfindet, ist oft nicht in der Lage, dem (alleine) Abhilfe zu schaffen. Die Stelle oder Person, die das Problem beheben kann, erfährt das Problem manchmal oder oft (?) selbst nicht – und weiss folglich nicht (mal) davon.
Dieser Punkt wurde mir (wieder) mal vor Augen geführt, als ich letzten Herbst an der KGK-Fachtagung mein Monitoring von geodienste.ch vorgestellt habe. Ich habe den Fachleuten unter anderem untenstehende Aufstellung gezeigt. Sie zeigt, wie die Daten zum Gewässerschutz aller Kantone, bezogen via geodienste.ch, bei der Endkundin ankommen: Viele Kantone übermitteln ein Interlis-Transferfile (.xtf), manche Kantone zwei, ein Kanton drei. Alle Transferfiles sind nach unterschiedlichen Konventionen verschieden benannt. Dies erschwert eine automatische Verarbeitung solcher Daten unnötig. Der Austausch während der Tagung hat gezeigt: Mir als Anbieter eines Teils sind die «Pain points» oder Bedürfnisse der Endkundin, die für ihren Zweck vielleicht die Gesamtsicht innehat, aber nicht unbedingt bekannt.

Vor ein paar Monaten haben wir eine GIS-Schulung für eine Gemeinde gemacht und dazu amtliche Geodaten des «zugehörigen» Kantons genutzt. In einem (und nur einem) Datenformat sind uns bei der Schulung über den gesamten Kanton 100 ungültige Geometrien (Polygone mit self-intersections) aufgefallen. Das war für uns eigentlich kein Problem. Es wäre halt der 12’000’037. Workaround seit Beginn von GIS gewesen. «Nicht mein Problem» oder «Not my circus, not my monkeys», wie man angeblich in Polen sprichwörtlich sagen kann.
Wir haben aber den Sachverhalt dennoch näher untersucht und auch schnell geprüft und gesehen, dass «dieselben» Daten von geodienste.ch das Problem nicht hatten. Meine Mitarbeiterin und ich haben unsere Erkenntnisse der Ansprechperson des Kantons kurz geschildert und ein Fehlerlog mitgeschickt, worauf sich die Person dann noch separat bedankt hat:

See something, say something. Ich gebe öfters Rückmeldungen, wenn mir etwas auffällt. Wir alle können unsere Community besser machen (oder die Faust im Sack, wenn etwas nicht gut ist, nicht funktioniert). Dass Person X oben sich so nett bedankt hat, legt für mich leider nahe, dass das, was wir gemacht haben, wohl nicht jede Woche vorkommt. Und jede Wette, dass Person X noch seltener Rückmeldung bekommt, dass «alles bestens funktionier[e], vielen Dank».
Wir alle machen die Community.
5. Der Elefant im Raum: The Question-Answering Machine
Vielleicht kennen Sie diesen Comic von xkcd:

Der «Witz» ist, dass es für IT-Outsider unheimlich schwer einzuschätzen ist, was in der Informatik schwierig und was vergleichsweise trivial ist. «Sag mir, ob das Foto einen Vogel zeigt.» — «Gib mir ein Forschungsteam und fünf Jahre.» Der Comic ist zehn Jahre alt. Heute geht das mit dem Vogel natürlich sehr einfach, denn:

KI ist zwar keine universelle Lösung. Und es gilt im Zusammenhang mit KI viele Fragen sorgfältig zu bedenken, beispielsweise ethische und Nachhaltigkeits-Implikationen dieser Technologie. Ich glaube aber schon, dass KI – der Elefant im Raum – auch Chancen bietet, einige der weiter oben aufgeführten Probleme zu überwinden. Diverse Firmen und Startups, auch wir bei EBP, setzen sich denn auch schon mit diversen KI-Anwendungen auseinander.
Ich habe einige Beispiele von KI im Geo-Kontext mitgebracht (hier werden nicht alle gezeigt): Im ersten Beispiel kann ich einen Begriff in die Suchbox links eingeben (im Beispiel: roundabout, also Kreisel bzw. Kreisverkehr) und «die KI» zeigt mir im Orthophoto-Ausschnitt (der in Realität grösser ist), Vorkommen von Roundabouts. Das ganze funktioniert mit sogenannten Embeddings, die für image chips (kleine Bildausschnitte) gleichermassen wie für den Suchbegriff berechnet werden können. Anschliessend erfolgt eine Ähnlichkeitssuche – faktisch eine Analyse der Distanzen im hochdimensionalen Vektorraum der Embeddings.

Das zweite Beispiel ist eine Art fuzzy Routing: In Fuzzy Maps kann (bzw. konnte; das Tool ist aktuell nicht mehr in Betrieb) man eine natürlichsprachliche Routinganfrage stellen. Das Tool konnte einfache räumliche Beziehungen und Objekte (letztere mit Rückgriff auf OSM) «verstehen» bzw. operationalisieren, siehe die Beispiel-Abfragen auf der Folie:

Es existieren noch viel mehr Beispiele. Im Moment sind das noch toy examples.
Die Strategie Geoinformation Schweiz enthält auch den Punkt «Von Geodaten zu Wissen». Ich bin überzeugt: KI wird uns in nächster Zeit in diese Richtung ein ganzes Stück weiterbringen. Wenn ich an meine Kollegin vom Beginn des Vortrags denke: Sie könnte künftig eine Anfrage wie unten gezeigt stellen, um schneller an benötige Geodaten zu gelangen. Im Idealfall bedient die NGDI sie dank agentic AI entsprechend (oder halt eine zum Beispiel private Alternative oder vielleicht mal die NDI). Vielleicht lagert meine Kollegin auch bald gewisse Analysefunktionen an die KI aus – wie im zweiten Beispiel angedeutet?

Oder, um die Perspektive der professionellen Geodatennutzerin für einmal zu verlassen: Meine Eltern beispielsweise fänden es natürlich super, sie könnten unserer Branche diese Frage stellen:

Zurück kämen eine Beschreibung einer tollen Wanderung, mit Fotos, Wetterprognose und Anreiseinfos, ein Button fürs ÖV-Billett, ein Button um Familie und Freunde zur Wanderung einzuladen, vielleicht (?) auch eine Karte oder ein Button, um die Route, die relevanten ÖV-Haltestellen und das Vorkommen von Buntspechten aufs Handy, aufs GPS und die Apple Watch zu übertragen. Sicher nicht, im engeren Sinn: Daten oder Geodaten. Eben: die Question-Answering Machine.
Fazit
Ich habe eingangs die untenstehenden Probleme bezüglich der Auffindbarkeit und Verwendbarkeit von Geodaten (die Leitfrage des Moderators des Webinars, Stefan Keller) gezeigt. Wie weiter oben schon gesagt: Spannend, technisch teilweise sogar sehr spannend. Und alles lösbar.

Ich glaube aber – und ich hoffe, mein Vortrag konnte das ein wenig aufzeigen – es gibt grosse Stellschrauben, mit denen wir auf alle diese Themen positiv einwirken können.
Das meine ich mit «Connecting the dots». Erstens wünsche ich mir, dass wir uns nicht als «geo», pardon «GEO», abgrenzen, sondern stärker als bisher interdisziplinär arbeiten und von anderen lernen (und vielleicht auch jene etwas lehren).

Ich wünsche mir, zweitens, auch, dass wir alle uns als Teil eines Ganzen verstehen und uns stets bemühen die Gesamtsicht einzunehmen. Und dass wir künftig einige der gezeigten, teilweise sehr verzettelten Geoinformations-Angebote integrieren können. Wir – wer oder was sonst – sind «die Geoinformation», «die Branche» und die NGDI.

Und schliesslich bin ich überzeugt, dass ein guter Teil des zurückzulegenden Weges darin besteht, stets offen zu sein und den persönlichen Kontakt über Organisationen hinweg zu pflegen.

Der Vortragstitel geht noch weiter: «Connecting the dots, perpetual beta». Ich treffe manchmal auf die Empfindung (mit etwas Ursula Koch): «Die Schweizer Geoinformation ist gebaut.» Dieser Eindruck kann entstehen, weil vieles da ist, reif ist und funktioniert. Aber gesellschaftliche, politische und zig andere Entwicklungen sind konstant dabei, die goalposts für uns zu verschieben!

Verharren wir also nicht, sondern bleiben wir dran. Ich freue mich sehr darauf, die Zukunft mitzuformen.
Vielleicht tauschen wir uns dazu mal bei einem Kaffeegespräch aus.
Postscriptum
Ich habe in meinem Vortrag alle verwendeten Quellen auf der jeweiligen Folie verlinkt. Zusätzlich habe ich noch einige mehr Links zusammengestellt, die mich zu den hier präsentierten Themen inspirierten und/oder informieren, für den Fall, dass Sie noch tiefer eintauchen möchten:
- Strategie Geoinformation Schweiz: Projektübersicht
- Brian Timoney: When we sell ‘mapping’, what precisely is the product?
- Ralph Straumann, Anne Wegmann, Stefan Ziegler, David Oesch: Evaluation GeoUnconference-Veranstaltungsreihe (pdf)
- Eidgenössisches Finanzdepartement: Schweiz unterzeichnet europäische Deklaration zu E-Government
- Brian Timoney: How the public actually uses local government web maps: Metrics from Denver
- Brian Timoney: Why map portals don’t work – Part I, Part II, Part III, Part IV, Part V
- Javier de la Torre: PostGIS Day: A future, post GIS
- James Fee: Spatial isn’t special
- James Fee: Spatial has never been special
- Justin Holman: Spatial is indeed special… But GIS software skills will soon be obsolete
- Don Meltz: GIS is dead – Long live GIS
- Matt Forrest: No, 80% of data isn’t spatial (and why that is a good thing)
- Mihai Bojin: DuckDB: The rising star in the big data landscape
- Chris Holmes: DuckDB: The indispensable geospatial tool you didn’t know you were missing
- Lukas Merz: Cloud-native geospatial: DIY Höhenlinien aus der Cloud – Teil 1, Teil 2
- Stefan Ziegler: DuckDB – Lizenzgebühren zu hoch? Try DuckDB! – Try DuckDB!
- Stefan Ziegler: HTTP-Statuscode 206 – Let’s get started
- Stefan Ziegler: INTERLIS leicht gemacht #39 – Dear BFS, I fixed it for you!